Haroon Mirza/hrm199 Ltd. im Museum Tinguely

Harron_Mirza_portrait
Haroon Mirza, 1977 in London geboren und pakistanischer Herkunft, nimmt auf Einladung des Hauses vom 10. Juni bis 9. September 2015 das Museum Tinguely in Basel in Beschlag. Er tut das, seiner Überzeugung entsprechend, dass die Zeit der künstlerischen Originalgenies vorbei ist, nicht allein, sondern in vielfältiger Kooperation mit den Mitarbeitenden seines Ateliers «hrm199.Ltd» und anderen Kunstschaffenden, deren Werke er in seine eigenen Installationen integriert. Haroon Mirza studierte Malerei, Design und Kunsttheorie an der Winchester School of Art, am Goldsmiths College der University of London sowie am Chelsea College of Art. 2011 erregte er erstmals internationales Aufsehen, als ihm die Jury der 54. Biennale von Venedig einen silbernen Löwen verlieh. 2014 erhielt er den vom Haus Konstruktiv und der Zurich Versicherungsgruppe ausgelobten «Zurich Art Prize». Die jetzt im Museum Tinguely – erstmals in solcher Fülle – präsentierten Werke sind darauf angelegt, unsere visuelle und akustische Wahrnehmungsfähigkeit zu strapazieren. Mirza setzt dafür alle aktuellen Mittel der digitalen Technik ein; er baut auf die Möglichkeiten des LED-Lichts; er nutzt seine reichen Erfahrungen als DJ beim Erzeugen akustischer Effekte, und er verknüpft seine Einfälle zu komplexen Netzen. So kommt zum Beispiel das Geräusch rauschenden Wassers in seinem schalldichten «Pavillon for Optimisation» nicht etwa einer Tonkonserve eines Wasserfalls, vielmehr wird es von einem gleich ausserhalb des Raums installierten Duschkopf erzeugt. An einem anderen Ort verfremdet Mirza unter anderem eine längst geschlossene Ausstellung über die irische Architektin und Möbel-Designerin Eileen Grey (1878–1976) und einen Youtube-Film, auf dem die isländische Sängerin Björk erklärt, wie ein TV-Gerät funktioniert sowie weitere Fundstücke zur Multimediaschau «System». Und im zweiten Untergeschoss orchestriert er mit «Bitbang Mirror» einen vom Kollegen Anish Kapoor ausgeborgten Hohlspiegel («Ohne Titel», 2013) mit einer Arduino-Plattform, Lautsprechern, Verstärker und Stroboskop-Blitzen von LED-Leuchten zu einem dröhnenden Spektakel. Bemerkenswert an dieser Arbeit ist weniger das (überzeugend gelungene) Experiment mit der Fähigkeit des Spiegels den Schall zu reflektieren, als vielmehr die Rückführung eines anerkannten Kunstwerks in den Zustand blossen Materials. Von Roland Wetzel und Sandra Beate Reimann kuratiert, bespielt die anspruchsvolle, die Besucher ebenso bereichernde wie anstrengende Schau das ganze Museumsgebäude sowie den Solitude-Park. Und sie zeigt auf vielfältige Weise, wie sehr künstlerisches Schaffen heute stets ein Prozess mit zahlreichen Akteuren ist.

Zur Ausstellung erschien ein Katalog, der das prozesshafte Kunstverständnis von Haroon Mirza und seiner «hrm199 Ltd.» perfekt widerspiegelt. Er bietet gleichzeitig ein Werkverzeichnis und eine Beschreibung des Entstehens der aktuellen Ausstellung. Roland Wetzel, Sandra Beate Reimann (Hrsg.): Haroon Mirza/hrm199 Ltd. Basel/Köln 2015 (Museum Tinguely/Snoeck Verlagsgesellschaft mbH), 408 Seiten, CHF 48.00 (Museumspreis),

Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung und des Katalogs befindet sich
hier.
Illustration: © La Nouvelle République, 18.7.2013