Andy Warhol

Pop-Art und Design: Ein spannender Dialog

Wer das Theater kennt, den amerikanische Schulen mit den Fahnen in den Schulzimmern machen, die unter keinen Umständen den Boden berühren dürfen, kann ermessen, was es bedeutete, als das Flaggenmuster 1969 auf einem italienischen Sitzmöbel («Leonardo») auftauchte, wo jeder seinen Hintern auf dem verehrten Tuch polieren konnte – wenn auch nur symbolisch. Es war die Zeit, als die Protestwellen gegen den Vietnamkrieg hoch gingen, als Tausende ihre Marschbefehle nach Vietnam verbrannten. Es ist ein besonders eindrückliches Arrangement der von Mathias Schwartz-Clauss kuratierten Ausstellung «Pop Art Design» im Vita Design Museum in Weil am Rhein, über dem provozierenden Stars-and-Stripes-Sofa Andy Warhols monumentales Porträt «Mao» aufzuhängen und beides mit Gaetano Pesces überlebensgrossser «Moloch»-Leuchte zu erhellen. Auch an anderen Stellen der höchst anregenden Schau (bis 3.2.2013) kommt es zu gelungenen Begegnungen, die belegen, wie sehr sich in den 1960er Jahren Kunst und Design, artistische Kreativität und Produktgestaltung gegenseitig beeinflussten. Nicht alle der über 140 Exponate, die durch Fotografien, Dokumente, Filme und Texte ergänzt werden, verdienen als Einzelstücke gleich hohe Beachtung. Doch im Kollektiv vermitteln sie allemal den aufrührerischen Geist der damaligen Aufbruchstimmung. Eine neue Generation amerikanischer Künstler befreite sich damals von der überkommenen Haltung des Originalgenies, das einsam in seinem Atelier seinem artistischen Ego huldigte. Sie bedienten sich, meist mit ironischer Distanz, in der Erlebniswelt der Durchschnittsbürger. Gleichzeitig wurde die Kunstproduktion in gewisser Weise demokratisiert – und damit auch zugänglich gemacht für den kommerziellen Zugriff. Indem das Vitra Design Museum seine Ausstellung zusammen mit dem Louisiana Museum of Modern Art in Humblebæk (DK) und dem Moderna Museet in Stockholm gestaltete, sind zahlreiche wertvolle Stücke aus den Sammlungen der beiden skandinavischen Häuser zu sehen. Zudem stellt die Fondation Beyeler im nahen Riehen in ihren Räumen eigene Exponate der Pop-Art aus, die durch Design-Objekte aus der Vitra-Sammlung ergänzt werden. Zur Ausstellung in Weil am Rhein erschien ein opulent bebilderter Katalog. Eine ausführliche Besprechung steht hier.

Illustration: Studio 65, Leonardo, Sofa, 1969, Sammlung Vitra Design Museum © Studio 65, Foto: Andreas Sütterlin.

Louise Bourgeois bei Beyeler

«Eine konzentrierte Auswahl» nennt die Fondation Beyeler die 20 Werke, die sie, inszeniert von Kurator Wulf Küster, als Hommage zum 100. Geburtstag der franko-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois (1911 bis 2010) vom 3.9.2011 bis zum 8.1.2012 zeigt. Teils inmitten von Werken anderer Künstler aus der Sammlung der Fondation in Riehen, teils in eigenen Räumen belegen skulpturale und zeichnerische Arbeiten die ungewöhnliche Breite ihres Schaffens, das die Klassische Moderne mit der Gegenwartskunst verbindet. Den Anfang und das Ende der Werkschau bilden zwei herausragende Werke: im Park, von Bäumen umgeben, die monumentale Riesenspinne «Maman» aus dem Jahr 1999 und im Untergeschoss, im Innersten des Museumsbaus, der käfigförmige Seelen-Parcours «Passage dangereux» von 1997. Besonders stolz sind die Ausstellungsmacher, dass sie die Erlaubnis erhielten, den Zyklus «A l’infini» aus dem Jahr 2008, zum ersten Mal öffentlich zu zeigen. Die 14 grossformatigen Radierungen kann als eine Art Selbstporträt der Künstlerin gelesen werden, das sich aus Bruchstücken ihres Unbewussten zusammensetzt. Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung steht hier.

«Fetisch Auto» im Museum Tinguely

Unter dem Titel «Fetisch Auto. ich fahre, also bin ich» ist Roland Wetzel, dem Direktor des Museums Tinguely in Basel, ein kleiner Geniestreich gelungen. Vom 8. Juni bis zum 9. Oktober 2011 präsentiert er in einer umfassenden Schau auf 1700 Quadratmetern alle künstlerisch relevanten Aspekte des Autowahns. Nicht weniger als 180 Werke von 80 Künstlerinnen und Künstlern demonstrieren den Fetischcharakter des motorisierten Untersatzes. Jean Tinguelys Auto-Obsession wird im Untergeschoss in einer eigens eingerichteten Abteilung zelebriert. Als Einstimmung zur Ausstellung wird eine Filmcollage angeboten, und vor dem Museum, im Solitude-Park, werden in einem improvisierten Drive-in-Kino bis am 9. September jeweils von Dienstag- bis Freitagabend Filme gezeigt, in denen Autos eine wichtige, wenn nicht die Hauptrolle spielen. Die Zuschauenden finden in 29 Autos Platz, die gemietet werden können. Noch wichtiger als das Freiluft-Kino ist der Katalog zur Ausstellung. Denn er zeigt und erläutert weit mehr als die ausgestellten Kunst-Stücke. Der 336 Seiten starke Band illustriert die ganze Geschichte der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Auto und präsentiert wichtige Essays zum Thema.
Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung und des Katalogs ist hier zu lesen.

Basquiat in der Fondation Beyeler

Aus Anlass seines 50. Geburtstages widmet die Fondation Beyeler Jean-Michel Basquiat, dem Wunderkind der amerikanischen Hip-Hop-Generation, die bisher umfangreichste Retrospektive. Vom 9. Mai bis zum 5. September sind in Riehen kuratiert von Dieter Buchhart und Sam Keller, 86 meist grossformatige Gemälde, dazu Zeichnungen und skulpturale Objekte zu sehen – eine Auswahl aus einem riesigen Oeuvre, das über 1000 gemalte und mehr als 2000 gezeichnete Arbeiten umfasst. Basquiat, 1960 als Kind einer Puertoricanerin und eines Haitianers in Brooklyn geboren und 1988 in Manhattan im Drogenrausch gestorben, begann mit 16 als Sprayer, dann versuchte er sich als Gestalter von T-Shirts und als Musiker bevor er sich der Malerei zuwandte. Sein Aufstieg zum Jungstar der internationalen Kunstszene begann 1981, als seine Arbeiten in der Ausstellung «New York/New Wave» neben Bildern von Keith Haring und Robert Mapplethorpe hingen und die ersten Kunsthändler auf ihn aufmerksam wurden. Ein Jahr später sah sich der 21-jährige zur Documenta nach Kassel eingeladen. Erstklassige Galerien in den USA und in Europa richteten ihm Einzelausstellungen aus. In der chronologisch aufgebauten Präsentation in Riehen ist ein zunehmend selbstsicheres kreatives Naturtalent dabei zu beobachten, wie es seiner eigenen Welt Form und Farbe gibt – spielerisch, kraftvoll und «immer echt», wie sein Galerist und Förderer Bruno Bischofberger betont.
Die ausführliche Besprechung der Ausstellung und des Katalogs gibt es hier.