Anna und Paul Wollenberger

«Diesseits der Grenze»: Migrantinnen und Migranten in Basel 1925 bis 1955

«Diesseits der Grenze» nennt Gabriel Heim (geb. 1950), der seinerzeit als TV-Journalist und -Manager vor allem in Deutschland gearbeitet hat, eine Sammlung von Biografien, die er aufgrund der Akten der Basler Fremdenpolizei rekonstruieren konnte. Die dementsprechend unterschiedlich ausführlichen Lebensbeschreibungen porträtieren bekannte und unbekannte Migrantinnen und Migranten, die zwischen 1925 und 1955 in Basel aktenkundig wurden. Darunter sind Menschen auf der Flucht vor der Nazi-Verfolgung wie der junge Harry Gabriel und die evangelisch getauften Jüdinnen Berta Lenel und Lili Reckendorf, aber auch Alma Gysin aus Basel, die nach der Heirat mit einem deutschen Eisenbahner ihr
Cover_Diesseits-der-Grenze klein 2
Schweizer Bürgerrecht verlor und sich im Zweiten Weltkrieg in eine romanhafte Spionagegeschichte verstrickte, oder die taffe Nazi-Sympathisantin Hedwig Baukloh, die sich in der Reederei Neptun des jüdischen Kaufmanns Jacob Hecht unentbehrlich machte. Umfangreich dokumentiert ist auch die Karriere des geschäftstüchtigen spanischen Bodega-Wirts Carlos Reyes, der zu einem wichtigen Player im Basler Rotlicht-Milieu aufstieg, oder die Geschichte des rumänischen Artisten Siehe Lupovici (Jacky Lupescu) und seines Vaters Richard. In vielen Fällen wird aus den zitierten Akten deutlich, wie sehr die «Fremden» den teils kleingeistigen, teils bösartigen Vorurteilen der Behörden ausgeliefert waren. Ganz besonders gilt dies für das Schicksal der Familie Wollenberger, die nach 1933 nach und nach in der Schweiz Zuflucht suchte und gezwungen wurde, den Zweiten Weltkrieg getrennt – Vater Paul in Flüchtlings- und Internierungslagern in der Schweiz, Mutter Anna und die Kinder Werner und Hannelore im Fürstentum Liechtenstein – zu überdauern. Es ist das Verdienst Gabriel Heims, dass er bei der Beschreibung der Schicksale nicht nur die vorhandenen Akten sprechen lässt, sondern auch, aus anderen Quellen schöpfend, das historische Umfeld beleuchtet. Die dabei unvermeidlichen Mutmassungen, mit denen Lücken in den dokumentierten Fakten gefüllt werden, darf man zugunsten der Lesbarkeit gern in Kauf nehmen.

Eine ausführliche Besprechung des Buches ist
hier zu finden.

Heim, Gabriel: Diesseits der Grenze. Lebensgeschichten aus den Akten der Fremdenpolizei. Basel 2019 (Christoph Merian Verlag), 264 Seiten. CHF 29.00/€ 28.00