Barbara Steffen

Wien 1900 – ein Gesamtkunstwerk

Selten hat ein Krach in einer lokalen Standesorganisation so fruchtbare Folgen gehabt wie der laute Austritt des Malers Gustav Klimt mit 18 Gleichgesinnten aus der behäbigen und bornierten „Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens“ im Jahr 1897 und die Gründung der Rebellen-Organisation „Wiener Secession“. Es war ein Befreiungsschlag im Namen der Kreativität. Er befreite das Kunstschaffen aus der Zwangsjacke der akademischen Malerei und Bildhauerei und schuf Raum für eine umfassende kulturelle Botschaft: Eine neue Zeit beginnt. „Wien um 1900“ heisst die Schau, mit der Barbara Steffen vom 26. September 2010 bis 16. Januar 2011 in der Fondation Beyeler diese kreative Aufbruchstimmung illustriert. Erwartungsgemäss stellt die Wiener Kuratorin die Arbeiten von Gustav Klimt und Egon Schiele ins Zentrum, doch sie inszeniert sie als Teil eines Wiener Gesamtkunstwerks, in dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben Malern auch Architekten, Möbelgestalter und andere Kunsthandwerker, Schriftsteller, Komponisten die neue Zeit mitgestalteten. Viele wurden gleichzeitig von mehreren kreativen Kräften gepackt: Arnold Schönberg komponierte und malte, der Architekt Josef Hoffmann, Mitgründer der Secession, entwarf Möbel und andere Gebrauchsgegenstände. Mit dem Ersten Weltkrieg unter dem Untergang Österreich-Ungarns fand die Aufbruchstimmung ein Ende. Leider gaben sich später einige, darunter Josef Hoffmann, der Illusion hin, die Nazis knüpften an ihren Jugendstil an, und liessen sich freudig in Dienst nehmen. Klimt und Schiele, die Protagonisten der Neuen Zeit, starben so früh, der eine 1915, der andere 1918, dass ihnen jede Versuchung erspart blieb. Eine ausführlich Besprechung der Ausstellung und des Katalogs ist hier zu finden,