Beitragslose Renten

Christoph Gödan – Die grossen Mütter

Der deutsche Fotograf Christoph Gödan besuchte im Herbst 2006 in Tansania und in Südafrika Grossmütter, die wegen des HIV/Aids-Tods ihrer Töchter und Söhne ein zweites Mal Verantwortung für heranwachsende Kinder – ihre Enkel - übernehmen müssen. Die eindrücklichen Porträts der alten Frauen und ihre Selbstzeugnisse, hat Gödan nun in einem Buch zusammen gefasst. Es führt den Beweis, wie gross der Durchhaltewillen der alten Frauen trotz widrigsten Lebensbedingungen ist, und wie wirkungsvoll sie dabei von den winzigen Rentenzahlungen, die ihnen die Organisation KwaWazee monatlich zukommen lässt, unterstützt werden. Der jüngste Jahresbericht des Hilfswerks, das mit Spenden aus der Schweiz und aus Deutschland finanziert wird, verzeichnet Ende 2011 gegen 1000 Grossmütter (und einige wenige Grossväter) sowie fast 600 Kinder als Empfänger regelmässiger Zuwendungen. Die Alten und ihre Grosskinder werden dabei keineswegs gehätschelt, vielmehr wird ihnen mit dem Geld die Selbsthilfe ermöglicht. In der Provinz Kagera im Nordwesten Tansanias, wo KwaWazee aktiv ist, haben sich rund 700 der «Grannies» in über 60 Gruppen zusammen geschlossen; für die Kinder und Jugendlichen gibt es sogar 125 Gruppen. Henning Scherf, langjähriger Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, stellt in seinem Vorwort zu Gödans Buch das Engagement von Kwa Wazee in einen grösseren Zusammenhang: «Wir müssen uns bewusst machen», schreibt er, «dass die Frauen, die dieser Bildband aus Südafrika und Tansania versammelt, nur wenige sind unter vielen alten Menschen … , die Tag für Tag um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familien kämpfen müssen. 80 Prozent der SeniorInnen in den Entwicklungsländern haben kein regelmässiges Einkommen. 100 Millionen alte Menschen müssen derzeit sogar mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen.» Mehr zum Thema und zu KwaWazee steht hier.
Christoph Gödan: «Die grossen Mütter. Leben mit Aids in Afrika». Wien 2012 (Mandelbaum Verlag). 142 Seiten, ca. € 29.90

AHV für Grossmütter in Tansania

Als 1948 die Geldbriefträger allen über 60 bzw. 65 Jahre alten Schweizerinnen und Schweizer jeden Monat 40 Franken AHV-Rente ins Haus brachten, hatten keine und keiner von ihnen Beiträge bezahlt. Das Modell der frühen AHV-Jahre übertrug der Schweizer Soziologe Kurt Madörin, 70, vor fünf Jahren auf seine Wohngemeinde Nshamba im Nordwesten Tansanias. Er begann mit 55 unterstützten alten Frauen; heute bewahrt das Hilfswerk KwaWazee 750 Grossmütter und 600 bei ihnen lebende Enkel mit monatlichen Zuwendungen von 6000 Shilling (etwa fünf US-Dollar) und 3000 Shilling pro Kind vor dem unausweichlichen Abgleiten ins Hungerelend. Eine sorgfältige Evaluation belegt nun die grosse Wirkung der bescheidenen Renten. Das Gutachten mit Fallstudien und Umfrage-Ergebnissen bietet eine Fülle von Material, das der einsetzenden entwicklungspolitischen Debatte über soziale Sicherungssysteme für die Dritte Welt wichtige Impulse vermittelt. Hier sind eine Zusammenfassung des Evaluationsberichts «Salz, Seife und Schuhe für die Schule» und ein Interview mit dem Initianten, dem Schweizer Soziologen Kurt Madörin, zu finden.
(Illustration © Museum für Kommunikation, Kurt Blum)