Markus Somm

Wem nützt die Kampagne gegen Tagi-Chefredaktor Res Strehle?

Seit das rechte Kampfblatt «Weltwoche» eine Kampagne gegen Res Strehle, den Chefredaktor des Zürcher Tages-Anzeigers, reitet, streitet die Schweizer Journalisten-Gemeinde über Details aus der Biografie des Kollegen. Die aufgeregte Debatte, die auf der Website «Medienwoche» besonders leidenschaftlich geführt wird, bot mir Anlass zu folgendem Ordnungsruf:

Kolleginnen, Kollegen! Was für eine kleinkarierte, rechthaberische Debatte! Alle, die sich, hier und anderswo, über die in der Branche allseits bekannte Biografie Res Strehles wichtig tun, lassen sich zu Komplizen der «Weltwoche» machen und verfehlen die entscheidende Frage: Was ist der Zweck der Kampagne? Wem soll sie nützen? Schaut auf das Schrumpfblatt «Basler Zeitung»! Der rechtsliberale und nationalkonservative Kreis um die Geldgeber und Strippenzieher Tettamanti und Blocher hat sich die wohlfeile BaZ als Sprachrohr ausgewählt, weil er fest daran glaubt, dass der Besitz einer Tageszeitung geeignet ist, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Sie wollen den links-grünen Mainstream der urbanen Zentren in die bürgerlich-konservative Richtung wenden. In ihrem elitären Weltbild sind Medien Propaganda-Instrumente. Journalisten, die dieses – notabene längst obsolete – Konzept umsetzen, gerieren sich, wie Markus Somm, als Missionare – oder sie sind einfach opportunistische Zyniker.

Res Strehle, der nächsten Monat 62 wird, und sein Verleger mögen noch einige Zeit standhalten, aber in Basel hockt der Köppel-, Gut- und Blocher-Kumpel Somm schon in den Startlöchern. Seitdem die BaZ vom Ex-Tagi-Mann Rolf Bollmann geleitet wird und der Druckauftrag bei Tamedia landete, scheint ein weiteres Zusammengehen logisch. Dafür müsste aber in Zürich eine neue Richtung eingeschlagen werden. O-Ton Bollmann http://www.onlinereports.ch/News.109+M5634ed39f49.0.html): «Die Integration der BaZ in ein Mantelkonzept, ob mit dem «Tages-Anzeiger» oder einer anderen Zeitung, steht im Widerspruch zur Positionierung der BaZ, wie sie von den Inhabern gewünscht wird.» Die Position der BaZ nach den Vorstellungen ihrer Besitzer ist am bürgerlichen rechten Rand. Die Diffamierung der Spitze des Tagi als «links» oder gar als «linksextrem» ist als Trommelfeuer zur Vorbereitung des Gefechtsfelds zu lesen. Der Angriff erfolgt, wenn die Zeit reif ist. In jedem Fall bleibt Strehle für den Rest seiner Zeit auf dem Chefposten in der Defensive: Ein erstes Ziel ist damit erreicht. Gut möglich, dass als nächstes die ganze «linke» («links-liberale», «links-grüne») Richtung des Tagi drankommt. Affaire à suivre.

Geschichte der «Basler Zeitung»

Walter Rüegg, früher Radiodirektor und zwischendurch auch einmal Verlagsleiter der «Basler Zeitung», hat mit jungen Medien-Forschenden der Uni Basel ein Buch über Aufstieg und Niedergang der BaZ verfasst. Der vom Christoph Merian-Verlag herausgegebene Forschungsbericht unter dem merkwürdigen Titel “Herausgefordert” – Wer ist oder war „herausgefordert“? Die Öffentlichkeit? Das Unternehmen? Die Autorinnen und Autoren? – hat drei Schwerpunkte. Im ersten werden die Vorgänger-Blätter der «Basler Zeitung» – «Basler Nachrichten» und «National-Zeitung» – porträtiert und in der Schweizer Presselandschaft der späten sechziger und frühen siebziger Jahre verortet. Der zweite erzählt die Geschichte der Fusion der beiden ungleichen Blätter, und der dritte das Auf und Ab der BaZ bis sie in Tettamantis und Blochers Hände fiel. Im Anhang schliesslich kommen Medienschaffende, Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler in Gastbeiträgen zu Wort. Eine kritische Würdigung des Werkes steht hier.

Walter Rüegg (Hrsg.): Herausgefordert. Die Geschichte der Basler Zeitung. Basel 2012 (Christoph Merian Verlag). 352 Seiten, CHF 34.00.

Hagiograph Somm

Markus Somm, der vor Jahren beim eher liberalen Tagi arbeitete und nun bei der rechtsaussen köppelnden Weltwoche in Lohn und Brot steht, hat merkwürdige 528 Seiten über Christoph Blocher geschrieben – merk-würdig vor allem, weil sich der Autor als Konvertit outet. Aus dem einstigen Kritker wurde ein Hagiograph. Nach traditioneller Berufsauffassung hat der Mann damit seinen Beruf an den Nagel gehängt. Dagobert Lindlau, bis 1992 Chefreporter der ARD, hat einmal von der «Korruption der Anteilnahme» gesprochen: «Wenn du anfängst zu verstehen, kannst du nicht mehr verurteilen, oder schlecht. Du sagst von einem Politiker, das ist ein echtes Schwein, und dann lernst du ihn kennen und erkennst die Zwänge, in denen er steckt, und fragst dich, wahrscheinlich hätt’ ich das selbst nicht anders gemacht, sehr gefährlich: Du wirst korrumpiert durch Verstehen. Die Distanz, die man als Journalist braucht, die aus Selbstgefälligkeit kommt, ist schwer zurückzuerobern. … Es gibt und es muss geben einen Antagonismus zwischen Politiker und Journalist. Dass sich Politiker und Journalist in den Armen liegen, gibt es nur in totalitären Staaten. Es ist gesund für den Stoffwechsel eines Staates, wenn Politiker und Journalisten sich nicht einig sind.» Mehr ist dazu nicht zu sagen.