Roman Signer

«Fetisch Auto» im Museum Tinguely

Unter dem Titel «Fetisch Auto. ich fahre, also bin ich» ist Roland Wetzel, dem Direktor des Museums Tinguely in Basel, ein kleiner Geniestreich gelungen. Vom 8. Juni bis zum 9. Oktober 2011 präsentiert er in einer umfassenden Schau auf 1700 Quadratmetern alle künstlerisch relevanten Aspekte des Autowahns. Nicht weniger als 180 Werke von 80 Künstlerinnen und Künstlern demonstrieren den Fetischcharakter des motorisierten Untersatzes. Jean Tinguelys Auto-Obsession wird im Untergeschoss in einer eigens eingerichteten Abteilung zelebriert. Als Einstimmung zur Ausstellung wird eine Filmcollage angeboten, und vor dem Museum, im Solitude-Park, werden in einem improvisierten Drive-in-Kino bis am 9. September jeweils von Dienstag- bis Freitagabend Filme gezeigt, in denen Autos eine wichtige, wenn nicht die Hauptrolle spielen. Die Zuschauenden finden in 29 Autos Platz, die gemietet werden können. Noch wichtiger als das Freiluft-Kino ist der Katalog zur Ausstellung. Denn er zeigt und erläutert weit mehr als die ausgestellten Kunst-Stücke. Der 336 Seiten starke Band illustriert die ganze Geschichte der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Auto und präsentiert wichtige Essays zum Thema.
Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung und des Katalogs ist hier zu lesen.

Under Destruction

Das kleine gelbe Plakat am Anfang der Ausstellung «Under Destruction» im Museum Tinguely (15. Oktober 2010 bis 23. Januar 2011) lässt keinen Zweifel: Die Besucher betreten gefährliches Terrain. Die Gefahr droht in erster Linie vom Boden, einer Gipskarton-Wüste der italienischen Künstlerin Monica Bonvicini mit hinterlistig angebrachten Fehlstellen. Zerstörerische Gewalt ist in der von Gianni Leiter des «Swiss Institute» in New York, Gianni Jetzer, und Chris Sharp sorgfältig kuratierten Schau, nur zum Teil ein Thema. Zerstörung wird von Künstlern heute offensichtlich weniger spektakulär und mit politischem Hintersinn dargestellt als noch in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Während Jean Tinguely damals nichts weniger als Weltuntergänge inszenierte, geht es heute um das Verschwindenlassen von Bleistiftzeichnungen per Radiergummi oder um Ausbleichen von Textilien mit einer Waschmaschine. Einer lässt Seifenblassen in Flammen aufgehen, ein anderer schickt maschninell geschmierte Konfitüren-Toasts in den Orkus abstürzen. Geschickt spielen die Ausstellungsmacher mit der Erwartungen der Besucher, indem sie ihnen zunächst bloss die sanfte Tour der Zerstörung vorführen, bevor sie es krachen lassen. Dabei darf es durchaus bedachtsam zugehen: Die hydraulische Kraft, die einen massiven Holzbalken zersprengt, wirkt langsam aber stetig; und der Crash zweier Luxusschlitten braucht Wochen, bis sie, Millimeter für Millimeter, zu Schrott gereift sind. Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung steht hier.