Sofia Hultén im Museum Tinguely

Hultén Porträt
Das Museum Tinguely in Basel präsentiert vom 24. Januar bis zum 1. Mai 2018 das faszinierende Werk der 1972 in Stockholm geborenen, im britischen Birmingham aufgewachsenen und ausgebildeten und seit 20 Jahren in Berlin wirkenden Künstlerin Sofia Hultén. Die von Lisa Anette Ahlers kuratierte Schau unter dem zunächst rätselhaften Titel «Here’s the Answer. What’s the Question?» entstand in Zusammenarbeit mit der Ikon-Gallery in Birmingham und umfasst neun skulpturale Installationen und acht Videofilme aus der Zeit von 2008 bis 2017. In drei Fällen dokumentieren Filme die Entstehung der Installationen. Zwei rote Fäden sind bei einem Rundgang sogleich auszumachen: Sofia Hultén manipuliert erstens alltägliche Fundstücke zu irritierenden Artefakten und sie spielt zweitens dabei gern mit dem Lauf der Zeit. Besonders zeigt sich das Verfahren beim Objekt «Mutual Annihilation» von 2008: Eine alte, grün bemalte Schubladen-Kommode wird zunächst sorgfältig renoviert. Die Farbe wird entfernt, die Kratzer und Schrammen werden aufs Penibelste verspachtelt, die Oberflächen geschliffen und geölt. Dann wird alles rückgängig gemacht, die Zeit zurückgedreht: Das Möbelstück erhält seine hässliche grüne Bemalung zurück, die weissen Farbspritzer werden – nach Recherchen über die Art ihrer zufälligen Applikation – erneut aufgetragen; mit Stechbeitel und anderen Werkzeugen wird die Oberfläche, die eben noch sorgfältig poliert worden war, erneut zerkratzt. Indem sie das Objekt in seinen ursprünglichen Zustand zurück versetzte, erläutert die Künstlerin mit schelmischem Lachen, sei es ihr gelungen, die Zeit umzukehren. Umkehren, umstülpen ist ein weiterer Aspekt von Sofia Hulténs Schaffen. Abfallcontainer faszinieren sie in dieser Hinsicht wie Abfallsäcke. Diese leert sie aus, dreht das Innere des Sacks nach aussen und befüllt ihn erneut. Dasselbe übte sie mit einem Container: Sie schweisste das mächtige Behältnis aus einander und setzte es – umgestülpt – erneut zusammen. Ironische Distanz ist immer präsent, wenn sich die Künstlerin ganz ernsthaft ans Werk macht. So liess sie sich von dem Buch «Problem der Erkennung» des russischen Kybernetikers Mikhail Bongard (1924-1971) anregen, der 1967 eine Reihe von 100 Rätseldiagrammen vorlegte, bei denen es galt, ein Muster zu erkennen. Sofia Hultén benützt zur Präsentation ihrer eigenen Rätsel gebrauchte Lochplatten, die in Werkstätten als Werkzeughalter dienen. Sie arrangierte darauf Gegenstände und Werkzeuge zu Bongard-Problemen, darunter auch Materialien, von denen unklar bleibt, wozu sie einst dienten.

Die faszinierende Ausstellung im Museum Tinguely erfordert Geduld beim Schauen und, wenn möglich, sachkundige Erläuterungen, wie sie im sorgfältig gestalteten und reich illustrierten Katalog zu finden sind oder von versierten Sachverständigen bei Führungen vermittelt werden.

Zu den Ausstellungen in Birmingham und Basel erschien ein gemeinsamer Katalog in deutscher und englischer Sprache: Ahlers, L. A. und Watkins, J. (Hg.): Sofia Hultén – Here’s the Answer. What’s the Question?, Birmingham/Basel 2017, 128 Seiten, CHF 28.00

Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung und des Katalogs
steht hier zur Verfügung .

Illustration: Sofia Hultén. © Jürg Bürgi 2018