Pierre Bonnard bei Beyeler

Mit Pierre Bonnard (1867 bis 1947) stellt die Fondation Beyeler in Riehen vom 29. Januar bis zum 13. Mai 2012 einen der faszinierendsten, weil oft als blosser Kolorist missverstandenen Maler der Moderne in einer grossen Einzelausstellung vor. Kurator Ulf Küster präsentiert den Zeitgenossen von Henri Matisse (1869-1954) und Mitgründer der Künstlergruppe «Les Nabis» (Maurice Denis, Edouard Vuillard, Paul Sérusier, Henri-Gabriel Ibels und Paul Ranson), als eigenwilligen Farben-Zauberer, der manchmal Jahrzehnte brauchte, bis er ein Werk als vollendet betrachtete. Überzeugend ist die Idee, die rund 60 Werke thematisch zu ordnen, den Räumen entsprechend, die ihnen den Rahmen geben: Die Strasse, das Esszimmer, das Badezimmer, der Garten sind die Orte, an denen Bonnard seine «Abenteuer des Sehnervs» (so der Titel eines Films von Didier Baussy) am liebsten inszenierte. Der Maler war zeitlebens auf seine Kunst konzentriert. Die politischen und wirtschaftlichen Umbrüche seiner Zeit, Krieg und Frieden schienen ihn nicht zu berühren. Besessen vom Bemühen, das menschliche Erlebnis des Sehens nachzubilden, lebte er in seinen Häusern gleichsam in Klausur. Er hatte eines am Unterlauf der Seine, und ein zweites in Südfrankreich, in der Nähe von Cannes, und staffierte sie seinen künstlerischen Bedürfnissen entsprechend aus. Dort malte er in seinem Atelier, wenn man den überlieferten Fotografien glauben darf, im Anzug mit Krawatte, mit einem Hut auf dem Kopf.
Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung und des Katalogs gibt es hier.

Christoph Gödan – Die grossen Mütter

Der deutsche Fotograf Christoph Gödan besuchte im Herbst 2006 in Tansania und in Südafrika Grossmütter, die wegen des HIV/Aids-Tods ihrer Töchter und Söhne ein zweites Mal Verantwortung für heranwachsende Kinder – ihre Enkel - übernehmen müssen. Die eindrücklichen Porträts der alten Frauen und ihre Selbstzeugnisse, hat Gödan nun in einem Buch zusammen gefasst. Es führt den Beweis, wie gross der Durchhaltewillen der alten Frauen trotz widrigsten Lebensbedingungen ist, und wie wirkungsvoll sie dabei von den winzigen Rentenzahlungen, die ihnen die Organisation KwaWazee monatlich zukommen lässt, unterstützt werden. Der jüngste Jahresbericht des Hilfswerks, das mit Spenden aus der Schweiz und aus Deutschland finanziert wird, verzeichnet Ende 2011 gegen 1000 Grossmütter (und einige wenige Grossväter) sowie fast 600 Kinder als Empfänger regelmässiger Zuwendungen. Die Alten und ihre Grosskinder werden dabei keineswegs gehätschelt, vielmehr wird ihnen mit dem Geld die Selbsthilfe ermöglicht. In der Provinz Kagera im Nordwesten Tansanias, wo KwaWazee aktiv ist, haben sich rund 700 der «Grannies» in über 60 Gruppen zusammen geschlossen; für die Kinder und Jugendlichen gibt es sogar 125 Gruppen. Henning Scherf, langjähriger Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, stellt in seinem Vorwort zu Gödans Buch das Engagement von Kwa Wazee in einen grösseren Zusammenhang: «Wir müssen uns bewusst machen», schreibt er, «dass die Frauen, die dieser Bildband aus Südafrika und Tansania versammelt, nur wenige sind unter vielen alten Menschen … , die Tag für Tag um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familien kämpfen müssen. 80 Prozent der SeniorInnen in den Entwicklungsländern haben kein regelmässiges Einkommen. 100 Millionen alte Menschen müssen derzeit sogar mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen.» Mehr zum Thema und zu KwaWazee steht hier.
Christoph Gödan: «Die grossen Mütter. Leben mit Aids in Afrika». Wien 2012 (Mandelbaum Verlag). 142 Seiten, ca. € 29.90