Wem nützt die Kampagne gegen Tagi-Chefredaktor Res Strehle?

Seit das rechte Kampfblatt «Weltwoche» eine Kampagne gegen Res Strehle, den Chefredaktor des Zürcher Tages-Anzeigers, reitet, streitet die Schweizer Journalisten-Gemeinde über Details aus der Biografie des Kollegen. Die aufgeregte Debatte, die auf der Website «Medienwoche» besonders leidenschaftlich geführt wird, bot mir Anlass zu folgendem Ordnungsruf:

Kolleginnen, Kollegen! Was für eine kleinkarierte, rechthaberische Debatte! Alle, die sich, hier und anderswo, über die in der Branche allseits bekannte Biografie Res Strehles wichtig tun, lassen sich zu Komplizen der «Weltwoche» machen und verfehlen die entscheidende Frage: Was ist der Zweck der Kampagne? Wem soll sie nützen? Schaut auf das Schrumpfblatt «Basler Zeitung»! Der rechtsliberale und nationalkonservative Kreis um die Geldgeber und Strippenzieher Tettamanti und Blocher hat sich die wohlfeile BaZ als Sprachrohr ausgewählt, weil er fest daran glaubt, dass der Besitz einer Tageszeitung geeignet ist, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Sie wollen den links-grünen Mainstream der urbanen Zentren in die bürgerlich-konservative Richtung wenden. In ihrem elitären Weltbild sind Medien Propaganda-Instrumente. Journalisten, die dieses – notabene längst obsolete – Konzept umsetzen, gerieren sich, wie Markus Somm, als Missionare – oder sie sind einfach opportunistische Zyniker.

Res Strehle, der nächsten Monat 62 wird, und sein Verleger mögen noch einige Zeit standhalten, aber in Basel hockt der Köppel-, Gut- und Blocher-Kumpel Somm schon in den Startlöchern. Seitdem die BaZ vom Ex-Tagi-Mann Rolf Bollmann geleitet wird und der Druckauftrag bei Tamedia landete, scheint ein weiteres Zusammengehen logisch. Dafür müsste aber in Zürich eine neue Richtung eingeschlagen werden. O-Ton Bollmann http://www.onlinereports.ch/News.109+M5634ed39f49.0.html): «Die Integration der BaZ in ein Mantelkonzept, ob mit dem «Tages-Anzeiger» oder einer anderen Zeitung, steht im Widerspruch zur Positionierung der BaZ, wie sie von den Inhabern gewünscht wird.» Die Position der BaZ nach den Vorstellungen ihrer Besitzer ist am bürgerlichen rechten Rand. Die Diffamierung der Spitze des Tagi als «links» oder gar als «linksextrem» ist als Trommelfeuer zur Vorbereitung des Gefechtsfelds zu lesen. Der Angriff erfolgt, wenn die Zeit reif ist. In jedem Fall bleibt Strehle für den Rest seiner Zeit auf dem Chefposten in der Defensive: Ein erstes Ziel ist damit erreicht. Gut möglich, dass als nächstes die ganze «linke» («links-liberale», «links-grüne») Richtung des Tagi drankommt. Affaire à suivre.

Bilderchronik einer Avantgarde: Ad Petersen im Museum Tinguely

Dreissig Jahre lang, von 1960 bis 1990, hat Ad Petersen (*1931) am Stedelijk Museum in Amsterdam als Konservator gewirkt und wichtige Ausstellungen der Avantgarde organisiert. Und 30 Jahre lang hat er die Künstler und ihre Arbeit als Chronist mit seiner Kamera begleitet. Seine rund 30’000 Schwarzweiss-Aufnahmen dokumentieren nicht nur die wichtigsten Kunst-Ereignisse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sie zeugen auch von der einzigartigen Gabe des autodidaktischen Fotografen, den Künstlern immer als Freund zu begegnen, dem sie Vertrauen schenken konnten. Seine Porträts sind nie inszeniert, vielmehr erfassen sie die Persönlichkeit der Künstler in Momenten, in denen sie ganz bei sich sind. Für die Ausstellung im Museum Tinguely in Basel – vom 27. Februar bis zum 26. Mai 2013 – konzentrierte sich die Kuratorin Annja Müller-Alsbach auf den Freundeskreis Tinguelys und seine Generation, denen Ad Petersen besonders nahe stand. Die Fotografien ergänzte sie mit Dokumenten und Kunst-Stücken aus der privaten Sammlung des Holländers, sodass der Titel der Schau «Les mille lieux de l’art» unwillkürlich auch als eine Hommage an das fiebrige «Milieu» der Kunstszene der sechziger und siebziger Jahre verstanden werden kann, in dem auf beiden Seiten des Atlantiks mit neuen Formen der Kunst und der Kommunikation experimentiert wurde. Es ist ein Glück, dass zur Ausstellung ein sehr schön gestaltetes Bilderbuch erscheint, das neben den fotografischen Dokumenten auch Ad Petersens Erinnerungen an die kreative Avantgarde dauerhaft festhält. Ein ausführlicher Bericht über die Ausstellung und das Buch zur Ausstellung steht hier zur Verfügung.
Annja Müller- Alsbach (Hrsg.): Ad Petersen. Les mille lieux de l’art. Luzern 2013 (Edizioni Periferia). 176 Seiten. CHF 38.00