Entwicklungspolitik

Architektur für Afrika

Eine Ausstellung im Architekturmuseum der Technischen Universität München gab vom 13. September 2013 bis zum 2. Februar 2014 unter dem Titel «Afritecture – Bauen mit der Gemeinschaft» einen Überblick über zeitgenössische Architektur in Afrika. Die Kuratoren Andres Lepik und Anne Schmidt fokussierten, dem Titel der Schau gemäss, auf Bauten für die Gemeinschaft – Schulhäuser, Gemeindezentren, Spitäler – und diskutierten auch die Frage, wem die Hilfe beim Entwerfen und Bauen vor allem nützt: den Gebenden aus dem reichen Norden oder den Empfangenden im Süden. Unsere Besprechung stützt sich auf die Publikation zur Ausstellung: Andres Lepik (Hrsg.): Afritecture. München (Architekturmuseum der TU München) / Ostfildern (Hatje Cantz Verlag) 2013. 272 Seiten, € 38.00. Eine ausführliche Besprechung der eindrücklichen Publikation steht hier zur Verfügung.

Tansania: Neun Jahre Kampf gegen die Malaria

Unter dem Namen ACCESS hat von 2003 bis 2011 das Schweizerische Tropeninstitut (Swiss TPH, Swiss Tropical and Public Health Institute) zusammen mit dem Ifakara Health Institute (IHI) und finanziert von der Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung in vier Distrikten im Südwesten Tansanias neue Instrumente zur Aufklärung über die Malaria und zu ihrer Bekämpfung erprobt. Wo zuvor jahrelang die Verbreitung von imprägnierten Moskitonetzen propagiert worden war, kamen in dem ostafrikanischen Land nun gross angelegte Informationskampagnen über die am weitesten verbreitete Krankheit zur Anwendung: Mit Strassentheater, Fussball-Turnieren und anderen populären Events sowie mit Radio-Spots schärften die Sozial-Marketing-Spezialisten der Institute der Bevölkerung zwei entscheidende Botschaften ein: Malaria muss innerhalb von 24 Stunden diagnostiziert und mit dem richtigen, korrekt dosierten Medikament behandelt werden. Damit diese Botschaft nicht nur gehört, sondern auch umgesetzt wird, müssen allerdings etliche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Die Arzneimittel müssen in allen Ambulatorien jederzeit verfügbar sein; sie müssen zudem erschwinglich sein, was voraussetzt, dass die Kranken und ihre Familien über Bargeld verfügen. Die Menschen müssen zudem Vertrauen in die Kompetenz des Gesundheitspersonals haben und sicher sein, dass sie nicht unter einem Vorwand abgewiesen werden. Es ist also ein ganzes Bündel von Bedingungen, die erfüllt sein müssen, wenn eine Volkskrankheit wie Malaria wirkungsvoll bekämpft werden soll. Aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den ersten Jahren verstärkte das Programm in seiner zweiten Phase seine Interventionen auf der Nachfrageseite. Eine Schlüsselrolle spielte dabei die Unterstützung von Frauengruppen. Sie erhielten ein Grundkapital, das ihnen ermöglichte, ihren Mitgliedern Darlehen zum Aufbau eines kleinen Unternehmens zur Verfügung zu stellen. Gefördert wurden gleichzeitig lokale Krankenkassen und die Gemeinde-Ambulatorien, deren Dienste jedes Jahr einem Qualitätstest unterzogen werden. Eine ausführliche Bilanz des Programms steht hier.

Über die Schlüsselrolle der Frauenförderung im Kampf gegen die Malaria publizierte die Basler «TagesWoche» in der Printausgabe 9. November 2012 meinen ausführlichen Bericht.

Über den Beginn des Access-Programms schrieb ich erstmals 2005 und berücksichtigte dabei auch den Ausbau des Campus in Ifakara, seit Jahrzehnten ein Hotspot der Schweizer Entwicklungshilfe.

Christoph Gödan – Die grossen Mütter

Der deutsche Fotograf Christoph Gödan besuchte im Herbst 2006 in Tansania und in Südafrika Grossmütter, die wegen des HIV/Aids-Tods ihrer Töchter und Söhne ein zweites Mal Verantwortung für heranwachsende Kinder – ihre Enkel - übernehmen müssen. Die eindrücklichen Porträts der alten Frauen und ihre Selbstzeugnisse, hat Gödan nun in einem Buch zusammen gefasst. Es führt den Beweis, wie gross der Durchhaltewillen der alten Frauen trotz widrigsten Lebensbedingungen ist, und wie wirkungsvoll sie dabei von den winzigen Rentenzahlungen, die ihnen die Organisation KwaWazee monatlich zukommen lässt, unterstützt werden. Der jüngste Jahresbericht des Hilfswerks, das mit Spenden aus der Schweiz und aus Deutschland finanziert wird, verzeichnet Ende 2011 gegen 1000 Grossmütter (und einige wenige Grossväter) sowie fast 600 Kinder als Empfänger regelmässiger Zuwendungen. Die Alten und ihre Grosskinder werden dabei keineswegs gehätschelt, vielmehr wird ihnen mit dem Geld die Selbsthilfe ermöglicht. In der Provinz Kagera im Nordwesten Tansanias, wo KwaWazee aktiv ist, haben sich rund 700 der «Grannies» in über 60 Gruppen zusammen geschlossen; für die Kinder und Jugendlichen gibt es sogar 125 Gruppen. Henning Scherf, langjähriger Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, stellt in seinem Vorwort zu Gödans Buch das Engagement von Kwa Wazee in einen grösseren Zusammenhang: «Wir müssen uns bewusst machen», schreibt er, «dass die Frauen, die dieser Bildband aus Südafrika und Tansania versammelt, nur wenige sind unter vielen alten Menschen … , die Tag für Tag um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familien kämpfen müssen. 80 Prozent der SeniorInnen in den Entwicklungsländern haben kein regelmässiges Einkommen. 100 Millionen alte Menschen müssen derzeit sogar mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen.» Mehr zum Thema und zu KwaWazee steht hier.
Christoph Gödan: «Die grossen Mütter. Leben mit Aids in Afrika». Wien 2012 (Mandelbaum Verlag). 142 Seiten, ca. € 29.90

AHV für Grossmütter in Tansania

Als 1948 die Geldbriefträger allen über 60 bzw. 65 Jahre alten Schweizerinnen und Schweizer jeden Monat 40 Franken AHV-Rente ins Haus brachten, hatten keine und keiner von ihnen Beiträge bezahlt. Das Modell der frühen AHV-Jahre übertrug der Schweizer Soziologe Kurt Madörin, 70, vor fünf Jahren auf seine Wohngemeinde Nshamba im Nordwesten Tansanias. Er begann mit 55 unterstützten alten Frauen; heute bewahrt das Hilfswerk KwaWazee 750 Grossmütter und 600 bei ihnen lebende Enkel mit monatlichen Zuwendungen von 6000 Shilling (etwa fünf US-Dollar) und 3000 Shilling pro Kind vor dem unausweichlichen Abgleiten ins Hungerelend. Eine sorgfältige Evaluation belegt nun die grosse Wirkung der bescheidenen Renten. Das Gutachten mit Fallstudien und Umfrage-Ergebnissen bietet eine Fülle von Material, das der einsetzenden entwicklungspolitischen Debatte über soziale Sicherungssysteme für die Dritte Welt wichtige Impulse vermittelt. Hier sind eine Zusammenfassung des Evaluationsberichts «Salz, Seife und Schuhe für die Schule» und ein Interview mit dem Initianten, dem Schweizer Soziologen Kurt Madörin, zu finden.
(Illustration © Museum für Kommunikation, Kurt Blum)

Einladung zur Debatte

Mit dem Erscheinen des Buches «Mais nach Mass», das eine siebenjährige teilnehmende Beobachtung eines beispielhaften, zur Hauptsache von der Syngenta Stiftung für Nachhaltige Landwirtschaft finanzierten Entwicklungshilfe-Projekts in Kenia zum Gegenstand hat, kann auch die allgemeine Debatte beginnen, die Professor Franz Nuscheler in seinem Nachwort angestossen hat. Seiner Ansicht nach bin ich mit den gentechnik-kritischen Hilfswerken zu streng ins Gericht gegangen. Mein Argument, dass sich die militanten Gegner der Agrobiotechnologie ungewollt zu Komplizen der Multinationalen machen, weil sie die öffentliche angewandte Forschung zugunsten der armen Kleinbauern der Dritten Welt hintertreiben, sei polemisch überzogen und setze mich dem Verdacht aus, dass ich der Auftraggeberin des Buches nach dem Mund reden wolle. Nichts läge mir ferner! Wer meinen Bericht unvoreingenommen liest, merkt, dass meine Kritik ebenso – und vor allem – auf die Agroindustrie und das von ihr vehement verteidigte Patentrecht zielt. Es behindert die angewandte Forschung öffentlicher Institutionen und verhindert die Nutzung von Forschungsergebnissen zugunsten armer Kleinbauern. Dass einige Multis in Einzelfällen bereit sind, dem Drängen und Bitten nachzugeben und zugunsten der Armen auf Lizenzgebühren verzichten, macht die Sache kaum besser. Denn die Bedingungen solcher – oft befristeter – Aktionen formulieren die Konzerne selbst.