Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi

Max Ernst in der Fondation Beyeler

Max Ernst (1891-1976), einer der kreativen Giganten des 20. Jahrhunderts, widmet die Fondation Beyeler vom 26. Mai bis zum 8. September 2013 eine grosse Retrospektive. Die zuvor in der Wiener Albertina gezeigte Auswahl von über 160 Exponaten, darunter Hauptwerke aus allen Schaffensperioden, wurde vom ausgewiesenen Kenner Werner Spies, zusammen mit Julia Drost, kuratiert. Dass die Schau «zum ersten Mal seit Ernsts Tod» in der Schweiz die Gelegenheit biete, die Vielfalt dieses künstlerischen Universums zu erleben, ist allerdings eine recht dreiste Übertreibung. Sie reflektiert die gegenwärtige Überhitzung eines Ausstellungsbetriebs, der eng mit dem Kunstmarkt verbandelt ist. Es ist ausgerechnet der Kunsthistoriker und Max-Ernst-Experte Werner Spies, der diese Fehlentwicklung aus erster Hand bezeugen kann: Weil er seit Jahren Max Ernsts Oeuvre in vielen Ausstellungen – vor fünf Jahren, vom 12.9.2007 bis zum 26. Januar 2008, auch im Museum Tinguely in Basel – und zahlreichen Publikationen populär machte und gleichzeitig dem Kunsthandel als exzellent honorierter Gutachter diente, ist er am 24. Mai – am Tag, als er den Medien in Riehen seine Beyeler-Schau präsentierte – im Pariser Vorort Nanterre zusammen mit dem Galeristen Jacques de La Béraudière vom Zivilgericht («Tribunal de grande instance») zur Zahlung von 652 883 Euro verurteilt worden. Der Galerist hatte einem Sammler ein Werk von Max Ernst verkauft, das sich als Fälschung erwies – trotz einem Gutachten des weltbekannten Ernst-Experten Spies. Dass dieser beteuert, er habe lediglich bestätigt, das fragliche Gemälde sei in dem von ihm redigierten Verzeichnis der Werke von Max Ernst enthalten, liessen die Richter nicht gelten. Wie die Basler Zeitung in der Ausgabe vom 29. Mai 2013 berichtete, ist Werner Spies nicht nur dieses eine Mal dem Fälscher aufgesessen. 2010 habe er als Gutachter sieben Bilder Ernsts aus einer angeblichen «Kunstsammlung Jägers» als echt bezeichnet, worauf sie versteigert wurden und Spies seine Provision erhielt. 2011 schrieb die FAZ, der angesehene Kunsthistoriker habe 400 000 Euro direkt von der Fälscherfamilie Beltracchi kassiert. Für Werner Spies hätte das alles Schnee von gestern sein sollen. Es sei «unklug» gewesen, schrieb er in seiner Autobiografie, die letztes Jahr erschien, sich seine Expertisen überaus grosszügig honorieren zu lassen. Nun rief das Urteil aus Nanterre die alten Geschichten in Erinnerung und durchkreuzte den Versuch, den Reputationsschaden mit einer grossartigen Retrospektive an ersten Adressen in Wien und Riehen gutzumachen. Der glänzenden Schau in Riehen, die Leihgaben aus allen wichtigen Sammlungen von Werken Max Ernsts vereint, tut dies keinen Abbruch. Wer allerdings glaubt, der Fall Spies könnte dazu führen, dass Kunstvermittler und Kunstvermarkter wieder mehr auf Distanz gehen, dürfte sich täuschen.
Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung gibt es hier.