Paul Klee – Die abstrakte Dimension in der Fondation Beyeler

Wer bisher glaubte, das riesige, oft ausgestellte Werk des Malers und Kunstlehrers Paul Klee (1879-1940) biete keine Überraschungen mehr, darf sich vom 1. Oktober 2017 bis 21. Januar 2017 in der Fondation Beyeler in Riehen eines Besseren belehren lassen. Anhand von 110 Bildern aus allen Schaffensperioden demonstriert Kuratorin Anna Szech unter dem Titel «Paul Klee - Die abstrakte Dimension» die lebenslange Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Gegensatz von Gegenständlichkeit und Abstraktion. Während sich viele seiner Zeitgenossen – Kasimir Malewitsch (1878-1935) und Wassily Kandinsky (1866-1944) reklamierten zum Beispiel beide die Erfindung für sich – verbissen stritten, hielt sich Paul Klee abseits und bewegte sich leicht und spielerisch auf dem polemisch verminten Gelände. Es ist sicher nicht falsch zu behaupten, dass Klees Fähigkeit, auch in abstrakten Gemälden in Farben und Formen Hinweise auf Gegenständliches zu geben und sie so lesbar zu machen, zu seinem Erfolg beitrug.
Porträt aus der Ausstellung
Die Ausstellung, welche sich über sieben Säle erstreckt, zeigt in chronologischer Folge und nach thematischen Werkgruppen geordnet, Klees Arbeit im Spannungsfeld von figurativer und abstrakter Malerei beginnt in München, wo er 1910 schnell Anschluss an die Künstlerszene fand, in der Franz Marc und Wassily Kandinsky den Ton angaben. Der junge Klee liess sich allerdings nicht vereinnahmen. Er kennt auch die Pariser Avantgarde und war von Paul Cézanne ebenso beeindruckt wie von Paul Matisse und Pablo Picasso. Und besonders faszinierten ihn die Farbfeld-Bilder von Robert Delaunay. Für sein späteres Werk von elementarer Bedeutung erweist sich die Reise nach Tunesien, die er 1914 vor dem Kriegsausbruch mit den Freunden August Macke (1887-1914) aus München und Louis Moilliet (1880-1962) aus Bern unternahm. Es ist faszinierend in der Ausstellung zu verfolgen, wie sich der junge Klee zuerst den Formen und dann den Farben zuwendet. Auf der Tunesienreise notiert er euphorisch im Tagebuch: «Die Farbe hat mich. … Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.» Der Erste Weltkrieg – die Freunde Macke und Marc fallen 1914, bzw. 1916 – macht dem Überschwang ein Ende. «Je schreckensvoller diese Welt (wie gerade heute), desto abstrakter die Kunst», bemerkt er in dieser Zeit, und fährt fort, «während eine glückliche Welt, eine diesseitige Kunst hervorbringt.» Ein faszinierender Gedanke, dass die Abstraktion dem Jenseitigen, will wohl sagen: der Seelenwelt zuzuordnen ist, während das Bodenständige einer heilen Welt vorbehalten ist. Dürfen wir annehmen, dass sich der in Bern aufgewachsene Paul Klee, der 1916 als Deutscher eingezogen wurde, aber vom Frontdienst verschont blieb, gegen die Schrecken wehrte, indem er während der Kriegsjahre gegenständlich malte: Auf den ausgestellten Werken sind Gärten, Häuser, Kirchen gut erkennbar. Der grösste Raum ist dem Jahrzehnt 1921 bis 1931 gewidmet, in dem Klee nicht nur malte, sondern Staatlichen Bauhaus in Weimar und später in Dessau als Meister lehrte. Auch während dieser sehr intensiven und fruchtbaren Schaffensperiode sind Gegenständliches und Abstraktes immer neben einander als «reichblühender farbiger Vielklang» präsent. Am Ende der zwanziger Jahre und zu Beginn der dreissiger Jahre werden Reisen nach Ägypten und Italien in ähnlicher Weise wie der Aufenthalt in Tunesien zu wichtigen Inspirationsquellen. Sehr eindrücklich sind die pointillistischen Mosaikbilder, die nur sehr selten als Serie gezeigt werden können. Den Schluss der überaus eindrücklichen Schau, die von der Begeisterung und der Expertise der Kuratorin durchdrungen ist, bilden Werke aus der Spätzeit, in der – gleichsam im Schlussspurt – über 2000 Bilder entstanden, die von Zeichen und Buchstaben geprägt sind, in denen aber immer wieder auch menschliche Gesichter und Gestalten erkennbar sind.

Illustration: Paul Klee (Ausschnitt), fotografiert von Felix Klee, 1921 in Possenhofen. © Klee-Nachlassverwaltung, Bern

Zur Ausstellung erschien in einer deutschen und einer englischen Ausgabe eine Publikation mit Beiträgen von Anna Szech, Teodor Currentzis, Fabienne Eggelhöfer, Jenny Holzer, Regine Prange und Peter Zumthor.
Szech, Anna (Hrsg.): Paul Klee – Die abstrakte Dimension. Riehen/Berlin 2017 (Fondation Beyeler/Hatje-Cantz Verlag). 236 Seiten, CHF/EUR 62.50.


Paul Gauguin in der Fondation Beyeler

Gauguin 1903
Als sich Paul Gauguin 1903 auf der Marquesas-Insel Hiva Oa, seinem zweiten Fluchtort in der Südsee, selbst porträtierte, war er schon todkrank. Die Nebenwirkungen seiner Syphilis und seiner Alkoholsucht bekämpfte er mit Morphium. Mehrfach hatte er versucht, sich mit Arsen zu vergiften. Die Bilder aus dieser Zeit zeugen von der depressiven Stimmung des Malers, der sich in seinen letzten Monaten mit den strafrechtlichen Folgen seiner Streitsucht herumschlagen musste. Es ist zu loben, dass Martin Schwander und Raphael Bouvier, die Kuratoren der Ausstellung «Paul Gauguin», die vom 8. Februar bis zum 28. Juni 2015 in der Fondation Beyeler in Riehen ein halbes hundert herausragende Gemälde präsentieren, zu Beginn und zum Schluss des Parcours ausführlich über die biografischen und künstlerischen Eigentümlichkeiten Paul Gauguins informieren. Vor allem die Verbindung von Einzelwerken und ihren biografischen Begleitumstände – Erläuterungen des Künstlers, Briefzitate – ist technisch brillant umgesetzt. Das ist auch nötig, denn aus den Exponaten allein ist nicht ersichtlich, dass wir beim Betrachten der Bilder einen Spätberufenen bei der Suche nach seiner Bestimmung beobachten. Gauguin, nach einer Jugend in seinem Mutterland Peru, wurde zunächst Seemann; später lebte er mit seiner dänischen Frau und fünf Kindern als Börsenmakler in wohlhabenden Verhältnissen – bis er sich mit 35 entschloss, Maler zu werden. Der Übergang von Bourgeois zum Bohémien bedeutete Ausstieg und Abstieg in Raten. Die Ausstellung beginnt mit Werken vom Ende der 1880er Jahre, die in der Bretagne entstanden und religiösen Themen gewidmet sind. Seine Frau war schon 1884 mit den Kindern zu ihren Eltern nach Kopenhagen umgezogen.1891 machte sich Gauguin vom bretonischen Pont-Aven aus, wo er jungen Malern – darunter Pierre Bonnard – ein Vorbild war, erneut auf die Suche nach einem Sehnsuchtsort. Mit dem Erlös aus der Versteigerung seiner Werke schiffte er sich nach Tahiti ein, wo er nicht nur ein naturnahes, sondern auch ein billiges Leben zu führen hoffte. Hier entstehen seine bekanntesten Bilder, mit denen er die üppige Vegetation und die natürliche Lebensart der Menschen feiert. Die Wirklichkeit sah allerdings anders aus. Abgeschnitten vom weit entfernten Kunstbetrieb gestaltete sich der Alltag viel schwieriger als gedacht. Zwar lebte er bald mit blutjungen Gefährtinnen zusammen, doch die Geldnot bestimmte sein Leben so sehr, dass er zuweilen gezwungen war, Aushilfsjobs anzunehmen. Zudem legte er sich alsbald mit der Kolonialverwaltung und dem katholischen Klerus an, weil er sich für die einheimischen Maohi einsetzte und sie unter anderem zum Steuerstreik anstachelte. Die Bilder sprechen nicht davon. Sie sind vielmehr Zeugnisse einer mentalen Flucht aus der Wirklichkeit. Sie evozieren Szenen aus dem täglichen Leben und aus der polynesischen Mythologie. 1893 war Gauguin, völlig mittellos und krank, gezwungen, auf Staatskosten nach Paris zurück zu reisen. Doch seine Situation besserte sich nicht: Ohne Erfolg stellte er seine Bilder aus und versuchte 1895 mit einer zweiten Auktion zu Geld zu kommen. Gleichwohl brach er im Juli 1895 erneut nach Polynesien auf. Die Arbeiten aus dieser zweiten polynesischen Schaffensperiode gipfeln im monumentalen Grossformat «Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?».Es entstand 1897/98 in nur vier Wochen als eine Art Lebensbilanz. Sein Zustand war zu der Zeit verzweifelt, seine Gesundheit ruiniert. Trotzdem arbeitete er, so gut es ging, weiter. 1901 verliess er Tahiti, um sich auf einer der 1400 Kilometer entfernten Marquesas-Inseln niederzulassen. In der Ausstellung sind sieben Bilder aus dieser Zeit zu sehen; sie zeigen bereits bekannte Motive, ohne dass sie die Intensität der früheren Arbeiten erreichen.

Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung und des sehr schön gestalteten Katalogs und der darin enthaltenen Aufsätze steht
hier.