Kunstmuseum Basel

«Dan Flavin – Widmungen aus Licht» im Kunstmuseum Basel

Porträt Flavin
Unter dem Titel «Widmungen aus Licht» zeigt das Kunstmuseum Basel vom 2. März bis zum 18. August 2024 eine grosse Retrospektive auf das Werk des Künstlers Dan Flavin (1933-1996). Berühmt wurde der Amerikaner ab 1963 mit ersten Lichtskulpturen aus industriell gefertigten Leuchtstoffröhren. Der Kurator Josef Helfenstein, bis Ende 2023 Direktor des Museums, und die Kuratorinnen Olga Osadtschy und Elena Degen präsentieren 58 Werke, von denen einige noch nie in der Schweiz zu sehen waren, und eine kleine Anzahl von Werken, die zu Beginn der künstlerischen Karriere entstanden sind. Zu den in neun Räumen arrangierten Werken. Flavin wuchs mit seinem Zwillingsbruder im New Yorker Stadtteil Queens in einem streng katholischen Milieu auf. Wäre es nach seinen Eltern gegangen, hätte er Priester werden sollen.Stattdessen gingen die Brüder 1953 nach dem Schulabschluss zur Luftwaffe, wo Dan während des Koreakriegs im Hauptquartier in Südkorea zum Flugwetter-Techniker ausgebildet wurde und später auf einem Stützpunkt im Staat New York Dienst leistete. In seiner Freizeit widmete sich Flavin intensiv der Kunst: Er skizzierte und zeichnete viel, wie seit seiner Jugend schon; er besuchte Museen und Galerien. Auf einer Dienstreise nach Japan, wo er eine Zeichnung von Auguste Rodin erwarb, fing er an, eine eigene Kunstsammlung anzulegen. Nach dem Ende seiner Dienstzeit schrieb er sich an der Columbia University für ein Studium der Kunstgeschichte ein und begann, sich ernsthaft künstlerisch zu betätigen, indem er Zeichnungen, Aquarelle und Collagen anfertigte. Einige dieser frühen Arbeiten, darunter «Apollinaire wounded», eine Assemblage mit einer zerdrückten Aluminiumdose, Ölfarbe und Bleistift auf einer Unterlage aus Hartfaser, Gips und Holz, sind in der Ausstellung zu sehen.

Während seiner weitgehend autodidaktischen künstlerischen Lehrjahre hielt sich Flavin mit Aushilfsjobs in New Yorker Museen über Wasser. Er arbeitete in der Poststelle des Guggenheim-Museums, wo er den Maler Ward Jackson (1928-2004) kennenlernte, der zu einem wichtigen Berater und Freund wurde. Später jobbte er im Museum of Modern Art als Aufseher und Liftboy und machte Bekanntschaft mit den Künstlern Sol LeWitt (1928-2007), Michael Venezia (geb. 1937), Robert Ryman (1930-2029), Ralph Iwamoto (1927-2013) und Robert Mangold (geb. 1937). Einige Zeit später begegnete er auch Donald Judd (1928-1994), mit dem er immer freundschaftlich verbunden blieb.

the diagonal of May 25, 1963 (to Constantin Brancusi)
Man darf es bedauern, dass Flavins frühen Arbeiten und besonders seinen Zeichnungen in der aktuellen Ausstellung nur eine Nebenrolle zukommt, denn die Licht-Installationen, welche die Schau naturgemäss dominieren, sind für das interessierte, aber nicht fachkundige Publikum schon nach kurzer Zeit nicht viel mehr als «more of the same»: Die Präsentation derart zahlreicher farbiger Leuchtstoffröhren-Arrangements wirkt verwirrend, das Flimmern und das Knistern der Lichtquellen irritiert. Und wer sich die Mühe nimmt nachzusehen, wem die eineinzelnen Werke zugeeignet sind, bleibt auf der Suche nach einer Verbindung zumeist ratlos. Flavin selbst warnte davor, diese Widmungen allzu ernst zu nehmen: «Manche Leute», sagte er in einem Interview, das Arthur Fink in seinem Katalogbeitrag zitiert, «ärgern sich über die Widmungen. Sie sollten einfach damit aufhören. Es ist eine nette Nebensächlichkeit.…» Es gibt allerdings eine Ausnahme: Die Hommage an Vladimir Tatlins (1885-1953) Entwurf für ein «Moument für die Dritte Internationale» von 1920. In seinem Essay für den Katalog erwähnt Simon Baier, dass Flavin zwischen
Monument for V. Tatlin  VII (1964)
1964 und 1990 das Thema in nicht weniger als 50 Arbeiten variierte. (In der Ausstellung ist die Installation «monument 7 for V. Tatlin» von 1964 zu sehen, die – anders als im Saaltext angegeben – aus sechs weissen und einer gelben Leuchtstoffröhre besteht.) Zurück zur Problematik der Retrospektive: Da die Werke individuell konzipiert wurden, entfalten sie auch ihre Wirkung als Einzelstück und an einem bestimmten Platz. Ein Massenauftritt war nie vorgesehen.

In späteren Jahren integrierte der Künstler seine Werke oft in einen bestimmten architektonischen Kontext – so wie im Innenhof des Basler Kunstmuseums. Die peinliche Geschichte dieser Installation dokumentiert Arthur Fink im Katalog. Sie beginnt mit einer vom damaligen Direktor Carlo Huber (1932-1976) kuratierten Ausstellung von Installationen Flavins in der Basler Kunsthalle und einer parallel von Direktor Franz Meyer (1919-2007) eingerichteten Präsentation grafischer Arbeiten im Kunstmuseum, die der Künstler mit Federzeichnungen des Reisläufers, Goldschmids und Künstlers Urs Graf (1485-1528) aus dem Kupferstichkabinett ergänzte. Für die Ausstellung entwickelte Flavin für den Innenhof des Museums die Installation «untitled (in memory of Urs Graf)». Am 9. Mai 1975 lehnte die Kunstkommission der Öffentlichen Kunstsammlung das Angebot ab, das Werk zu erwerben, und Ende Juni fand auch das Angebot einer Schenkung «durch eine Stiftung in Amerika» einstimmig kein Gehör. Als Grund sind im Protokoll nicht weiter ausgeführte «künstlerische Gesichtspunkte» erwähnt. Flavin war enttäuscht und schrieb das Debakel in einem Brief an Carlo Huber internen Machtkämpfen in der Kommission zu. Dabei, so seine Überzeugung, hätten die leuchtenden Röhren verdammt gut gepasst: «But after all, all of those lofty and low-down tubes seemed to me to exist oh so definitely dramatically well in that damned drab setting. Amen!» Dabei blieb es – vorerst. Die «Dia Art Foundation», die sich der Unterstützung zeitgenössischer Kunst verschrieben hatte, kaufte das Werk schliesslich an und bat 1980 die Kommission um Wiedererwägung ihres Entscheids. Diesmal war die Mehrheit der Meinung, man könne nicht ein zweites Mal nein sagen. «Mehr aus diplomatischen Erwägungen denn aus inhaltlicher Überzeugung», wie Fink schreibt, akzpetierte das Gremium das Geschenk. Es bestehe damit ja keine Verpflichtung, heisst es schlaumeierisch im Protokoll vom 11. August 1980, «die Installation anzuzünden». Und: Das Werk sei «ohnehin nur am Abend sichtbar, also zu einer Zeit, in der das Museum in der Regel geschlossen ist.» Das ist falsch, wie jetzt, wenn die Lichtskulptur leuchtet, zu sehen ist. (Übrigens: Die naheliegende Vermutung, dass die Kunstkommission Flavins Werk aus Furcht vor öffentlicher Aufregung ablehnte, ist wahrscheinlich falsch. Denn ebenfalls 1980 erwarb sie, mit einem Zusatzkredit der öffentlichen Hand, Brancusis «Torso einer jungen Frau» und nahm einen Shitstorm inklusive Fasnachtsspott ohne weiteres in Kauf.)

Flavin im Hof des Kunstmuseums
Wie Dan Flavin, der einstige Luftwaffen-Soldat im Koreakrieg, der ein Leben lang zeichnete und sich mit den Möglichkeiten beschäftigte, das Licht als künstlerisches Gestaltungsmittel einzusetzen, formierte auch der fünf Jahre ältere und am Ende des Zweiten Weltkriegs als Flakhelfer eingesetzte Otto Piene (1928-2014), mit Zeichnungen seine Ideen. Es ist ein lohnender Gedanke, die bis 12. Mai vom Museum Tinguely mit einer grossen Piene-Werkschau gebotene Gelegenheit zu nutzen, die beiden, vom Licht und vom Fliegen faszinierten Künstler zu vergleichen. Ja, anders als Flavin, der sich mit der Entdeckung der Möglichkeiten begnügte, die ihm ein Universum aus Leuchtstoffröhren bot, fächerte Piene, ein Mitgründer der Düsseldorfer Künstlergruppe «Zero», sein Repertoire weit auf. Gleichwohl ist beachtenswert, wie sehr der Deutsche, der lange in den USA wirkte, und der Amerikaner, der in seinen späteren Jahren oft in Europa arbeitete, ihre Kunst zur Veränderung von Räumen, innen und aussen, einsetzten. Eine oberflächliche Recherche ergibt, keine persönliche Bekanntschaft der beiden Künstler. In einem Beitrag für die Zeitschrift Artforum unter dem Titel «Some other comments» schrieb Flavin 1967 über die ihm bis dahin unbekannte, im Bauhaus verankerte Geschichte der Lichtkunst: «By the way, at the start (of my use of electric light), I knew nothing of the Moholy-Nagy sculpture or, for that matter, all of the output of the European solo systems and groupings like Zero which were introduced to New York relatively recently or not at all.» (Den Hinweis verdanken wir der Heidelberger Dissertation von Brigitta Heid «Dan Flavins installations in fluorescent light im Kontext der Minimal Art und der Kunstlicht-Kunst», Online-Veröffentlichung 2004, http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/4940/6/I-Textteil.pdf)

Zur Ausstellung ist im Verlag Walther König, Köln, für Mai ein Katalog angekündigt: Helfenstein, J., Osadtschy, O. (Hrsg): Dan Flavin - Widmungen aus Licht / Dedications in Lights. Köln 2024, 256 Seiten, €49.00.
Der Presse standen die Fahnen der Katalog-Texte zur Verfügung.

Illustrationen von oben nach unten: Porträt Dan Flavin (Ausschnitt, Foto: Stephen Flavin https://www.spiegel.de/fotostrecke/lichtmaler-dan-flavin-minimaler-aufwand-maximaler-effekt-fotostrecke-17497.html 21.11.2006); «the diagonal of May 25, 1963 (to Constantin Brancusi)», Flavins erste Leuchtstoffröhren-Installation, die ihn als Künstler etablierte. (Foto: https://www.spiegel.de/fotostrecke/lichtmaler-dan-flavin-minimaler-aufwand-maximaler-effekt-fotostrecke-17497.html, 21.11.2006); «Monument for V. Tatlin VII (1964)» (Foto aus der Ausstellung, © 2024, Jürg Bürgi, Basel); «untitled (in memory of Urs Graf)» (1975) im Innenhof des Kunstmuseums Basel (Foto © 2024 Jürg Bürgi, Basel).

Charmion von Wiegand im Kunstmuseum Basel

Charmion von Wiegand 1961
Im Kunstmuseum Basel, das ihr vom 23. März bis 13. August 2023 eine monografische Ausstellung widmet, präsentieren die Kuratorin Maja Wismer und der Kurator Martin Brauen die amerikanische Journalistin, Kunstkritikerin und Malerin Charmion von Wiegand (1896-1983) unter dem Titel «Expanding Modernism» als lebenslange Sinnsucherin. Die Tochter des legendären Kriegsberichterstatters und rasenden Reporters Karl Henry von Wiegand (1876-1961) verbrachte ihre Kindheit und Jugend an verschiedenen Orten in den USA und – bis 1915 – in Berlin, wo der Vater für Publikationen des Verlegers Randolph Hearst tätig war. Zurück in den USA, studierte sie zunächst ein Jahr am Barnard College in New York, einer 1889 gegründeten privaten Bildungsstätte für Frauen, und belegte anschliessend an der Columbia University Kurse in Kunstgeschichte und Journalismus. 1919 heiratete Charmion von Wiegand den Geschäftsmann Hermann Habicht. Durch ihn kam sie in Kontakt mit dem Lyriker Hart Crane (1899-1932) und der literarischen Avantgarde, in die von esoterischen Themen fasziniert ist. Charmion schreibt Theaterstücke, beginnt eine Psychoanalyse und interessierte sich durch Vermittlung des italienischen Malers Joseph Stella (1877-1946), neben Hart Crane eine ihrer künstlerischen Leitfiguren jener Jahre, für den Futurismus. 1928 stellte sie im Rahmen der «Independent Show», eine amerikanische Version des Pariser «Salon des Indépendents», zum ersten Mal eigene Gemälde aus. Nach der 1929 erfolgten Scheidung von Hermann Habicht zog Charmion von Wiegand als Kulturkorrespondentin des Hearst-Konzerns nach Moskau. Sie war vom Kommunismus begeistert, las die einschlägigen Schriften von Marx, Engels, Lenin und Trotzki. Die Kunst, war sie nun überzeugt, musste im Dienste des Volkes stehen. Als sie 1932 in die USA zurückkehrte, heiratete sie den in der Ukraine geborenen Journalistenkollegen Joseph Freeman (1897-1965), der seit 1927 die kommunistische
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Zeitschrift «New Masses» herausgab und 1934 das zeitweise einflussreiche linke Kulturblatt «Partisan Review» mitbegründete. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise unterstützte das Ehepaar neu entstehende Organisationen von Künstlerinnen und Künstlern. Spätestens mit dem Hitler-Stalin-Pakt hatte sich die kommunistische Illusion in Luft aufgelöst. Joseph Freeman sagte sich von der KP los und arbeitete freischaffend für liberale Magazine («The Nation», «Fortune») und die Illustrierte «Life». Und gleichzeitig befreite sich die amerikanische Kunstdebatte von den ideologischen Fesseln, die sie in den dreissiger Jahren eingeengt hatte. Als Entfesselungskünstler wirkte der Kritiker Clement Greenberg (1909-1994); sein Stunt in der «Partisan Review» trug den Titel «Avant-Garde and Kitsch» und wurde zur theoretischen Grundlage der Kunstrichtung des abstrakten Expressionismus. Charmion von Wiegand arbeitete derweil mit dem in Deutschland geborenen Maler Carl Holty (1900-1973) an einer (nie vollendeten) Geschichte der abstrakten Kunst. Holty der seit 1930, als er in Paris zur Gruppe «Abstraction-Création» gehörte, mit Piet Mondrian befreundet war, vermittelte den Kontakt zum emigrierten Holländer. Fasziniert von seiner neoplastischen Kunst, die sich vom Getriebe der Metropole New York eine höhere Stufe der Abstraktion eroberte, pflegte sie regelmässigen Kontakt. Sie war es, die ihn in die New Yorker Kunstszene einführte, sie redigierte seinen theoretischen Essay «Toward a True Vision of Reality», sie publizierte «The Meaning of Mondrian» im «Journal of Aesthetics», die erste umfassende Darstellung aus amerikanischer Perspektive. Und Charmion von Wiegand soll es gewesen sein, die Mondrian darauf brachte, Gemälde seiner New Yorker Zeit mit farbigen Klebestreifen zu versehen. (Es ist allerdings durchaus möglich, dass die Idee von Carl Holty stammte, der die Methode für die eigenen Bilder verwendete.) «Mondrian», erinnerte sie sich später, «war mein Guru».26_CVW_The Great Field of Action_1953_Walker
Nach seinem Tod, der sie zutiefst erschütterte, versuchte sich Charmion von Wiegand als Malerin von ihrem Vorbild zu lösen – was ihr phasenweise zu gelingen schien. Sie probierte es eine Zeitlang mit biomorphen Formen und Collagen und suchte sie Orientierung bei Hans Arp, Wassily Kandinsky und Hans Richter, doch die strengen Rasterformen kamen immer zurück. Für ihre weitere künstlerische Arbeit war die intensive Beschäftigung mit der Theosophie von entscheidender Bedeutung. Sie begann 1949, als sie und Joseph Freeman Louis James, den Präsidenten der Theosophischen Gesellschaft in New York, kennenlernten. Erst jetzt – und nicht durch Vermittlung Piet Mondrians, der ein begeisterter Anhänger der Theosophie und später der Anthroposophie Rudolf Steiners war – studierte sie die Schriften der Begründerin Helena Petrovna Blavatsky und ihrer Adepten. Einige Jahre später entdeckte sie den Zenbuddhismus für sich. Sie besuchte Vorträge und Vorlesungen und suchte für das Gehörte und Gelernte eine malerische Formsprache. Im Jahr 1953 musste sich Joseph Freeman seinem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe des Kommunistenjägers Joseph McCarthy (1908-1957) rechtfertigen. Obwohl freigesprochen, setzte dieses Erlebnis nicht nur Freemans journalistischer Karriere ein Ende, sondern bestärkte das Ehepaar auf seinem Weg in eine von Meditation geprägte, dem politischen Getriebe entrückte Erfahrungswelt. «Wir leben in einem Dschungel und können niemandem trauen», schrieb Charmion von Wiegand in einem Brief an ihren Vater. «Während ich dazu gekommen bin, Politik jeder Art zu verabscheuen, heisst das nicht, dass man zynisch werden, sondern den Menschen gegenüber mehr Mitgefühl entgegenbringen muss.»
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Die Haltung ist in den 1950er-Jahren unter Künstlern nicht ungewöhnlich. John Cage, Agnes Martin und Ad Reinhardt liessen sich vom Zenbuddhismus inspirieren. Schon früher hatte sich Mark Tobey (1890-1976) intensiv mit dem Buddhismus in China und Japan vertraut gemacht und fernöstliche bildnerische Traditionen in sein Werk aufgenommen. 1959 stellte Charmion von Wiegand Tobey im «Arts Magazine» als Brückenbauer zwischen dem Osten und dem Westen vor – eine Rolle, die sie in zunehmendem Mass auch sich selbst zuschreiben durfte. Als Publizistin, als Kuratorin von Ausstellungen und als Malerin engagierte sie sich ab 1965, dem Todesjahr von Joseph Freeman, für die tibetische Kunst und Kultur. Gut möglich, dass zu Recht beklagt wird. sie sei sowohl als Begleiterin in Piet Mondrians letzten Lebensjahren, als auch als eigenständige Künstlerin zu wenig wertgeschätzt worden. Aber dieser Ansatz bestimmt (zum Glück) nicht den Kern der Ausstellung. Beachtung verdient sie vielmehr, weil sie Charmion von Wiegands Lebensleistung als Ganzes darstellt und herausarbeitet, wie sie den eigenen Erkenntniszuwachs ein Leben lang kontinuierlich schreibend und künstlerisch gestaltend weitergab. Es ist nicht auszuschliessen, dass weitere Forschung es künftig ermöglichen wird, die Künstlerin nicht nur in einer Überblickspräsentation zu zeigen, sondern ihre Werke und ihre Schaffensphasen gewichtend einzuordnen.

Zur Ausstellung, die wegen der Pandemie erst mit Verspätung eröffnet werden konnte, erschien bereits 2021 ein Katalog mit einem grossen Bildteil und kenntnisreichen Textbeiträgen. Wismer, Maja (Hrsg. für das Kunstmuseum Basel): «Charmion von Wiegand. Expanding Modernism», München 2021 (Prestel-Verlag), 200 Seiten CHF 44.00.

Illustrationen (von oben nach unten): Arnold Newman: Porträt von Charmion von Wiegand, 1961 (Scan aus dem Katalog); Titelblatt des Magazins «New Masses» 1926 (aus Wikipedia); Charmion von Wiegand: The Great Field of Action or the 64 Hexagrams (Der Altar der Ahnen aus dem I Ging), 1953. (Collection Walker Art Center, Minneapolis, Schenkung Howard Wise, New York, 1974); Charmion von Wiegand: Triptych, Number 700. 1961 (Whitney Museum of American Art. Schenkung Alvin M. Greenstein.)

Shirley Jaffe im Kunstmuseum Basel

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Nach einer ersten Station im Centre Pompidou in Paris zeigt das Kunstmuseum Basel vom 25. März bis 30. Juli 2023 eine umfassende Retrospektive auf das Lebenswerk der amerikanischen Malerin Shirley Jaffe (1923-2016), die praktisch ihr ganzes Künstlerinnen-Leben seit 1949 in Paris verbrachte. Geboren in New Jersey als Shirley Sternstein, als älteste Tochter jüdischer Emigranten aus Osteuropa, wuchs sie nach dem frühen Tod des Vaters mit der Mutter und Geschwistern in Brooklyn auf. Ihre zeichnerische Begabung wurde in der High School gefördert, und sie konnte dank einem Stipendium an der Cooper Union School of Art studieren, wo sie 1945 ihr Abschlussexamen machte. Danach verdiente sie sich ihren Unterhalt unter anderem in einer Bibliothek und in der Reklameabteilung des Kaufhauses Macy’s. Eine umfassende Ausstellung des Werks von Pierre Bonnard im Museum of Modern Art in New York, 1948, im Jahr nach dem Tod des Künstlers, blieb ihr zeitlebens eine unvergessliche Erinnerung. Nach der Heirat mit dem Journalisten Irving Jaffe lebte das Paar kurze Zeit in Washington D.C., bevor es mit dem Kriegsteilnehmer-Stipendium (G.I.-Bill) nach Paris zog. Die französische Hauptstadt war damals für viele junge, künstlerisch begabte Amerikaner ein Sehnsuchtsort. Das Paar lebte in bescheidensten Verhältnissen und schloss sich bald einem Kreis gleichaltriger Expats an. Sam Francis (1923-1994), Al Held (1928-2005), Joan Mitchell (1925-1992), Jules Olitski (1922-2007), Kimber Smith (1922-1981) und Jean-Paul Riopelle (1923-2007) gehörten dazu. Die wichtigste Unterstützung erfuhr Shirley Jaffe in dieser Zeit von Sam Francis
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dessen Atelier in Arcueil sie zeitweise benützen konnte. Ihre frühen Bilder sind stark vom Impressionismus im Spätwerk von Claude Monet (1840-1926) beeinflusst, das zuvor schon dem amerikanischen abstrakten Expressionismus von Jackson Pollock (1912-1956) und Willem de Kooning (1904-1997) auf die Sprünge geholfen hatte. Auffallend in der ersten künstlerischen Schaffensperiode sind die grossen Formate ihrer Bilder. Der abstrakte Expressionismus verlangt nicht nur beim Malen die grosse Gestik, er muss auf einen dominanten Auftritt haben. Neben Sam Francis, der ihr den Kontakt vermittelte, wurde in den 1950er Jahren der grosse Schweizer Kunst-Anreger Arnold Rüdlinger die wichtigsten Stütze für Jaffes frühe Karriere. Rüdlinger (1919-1967), von 1946 bis 1955 Leiter der Kunsthalle Bern und anschliessend, bis zu seinem frühen Tod, der Kunsthalle Basel, ermöglichte ihr 1958, zusammen mit Kimber Smith und Sam Francis, einen Gruppenauftritt am Steinenberg. im gleichen Jahr kuratierte er im Pariser «Centre Culturel Américain» in gleicher Zusammensetzung eine Ausstellung. Er war fasziniert vom «gänzlich uneuropäischen Raumgefühl, das auf ein Zentrum, eine Perspektive und auf harmonische Proportionen verzichtet», wie er im Katalog schrieb. (Zur Erinnerung: 1957, zwei Jahre bevor die Berner Galerie Klipstein und Kornfeld Shirley Jaffe ihre erste Einzelausstellung ausrichtete, hatten Arnold Rüdlinger und Ebi Kornfeld (1923-2023) in den USA mit einem Kredit der National-Versicherung für das Kunstmuseum Basel Werke von Franz Kline, Barnett Newman, Mark Rothko und Clyfford Still gekauft. Nirgendwo sonst in Europa war die zeitgenössische amerikanische Kunst so prominent vertreten. Klar, dass sich das brave Publikum entsprechend provozieren liess…) Um 1960, heisst es in einem Abschnitt der Saaltexte zur Ausstellung, «war der abstrakte Expressionismus bereits (Kunst)Geschichte». Viele aus der Pariser Expats-Kolonie kehrten in die USA zurück und entwickelten dort neue, eigene künstlerische Positionen. Auch Shirley Jaffe beobachtete, dass sich ihre Malerei veränderte. Sie lebte getrennt von ihrem Ehemann; 1962 liess sich das Paar scheiden. Im Jahr darauf nutzte sie die Gelegenheit, mit einem Stipendium der Ford Foundation in Berlin zu arbeiten. Der Aufenthalt in der Stadt an der Frontlinie des Kalten Krieges, noch schockiert vom Bau der Mauer im August 1961 und auch im Westteil noch keineswegs trümmerfrei, hinterliess tiefe Spuren in Shirley Jaffes künstlerischer Biografie. Das Begleitprogramm der Stiftung ermöglichte ihr, sich mit dem deutschen Expressionismus bekannt zu machen und die Avantgarde, darunter der griechisch-französische Komponist, Musiktheoretiker und Architekt Iannis Xenakis und der Pionier der elektronischen Musik, Karlheinz Stockhausen, kennen zu lernen.
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Die in Berlin entstandenen Arbeiten zeigen einen Drang zu stärkerer Strukturierung, ohne die expressive Kraft der Farbigkeit aufzugeben. Die Entwicklung zu ihrem neuen, eigenwilligen Stil, der Elemente des Konstruktivismus und des Surrealismus verband, dauerte etwa bis 1968. Da war sie zurück in Paris, wo sie 1969 im Quartier Latin an der Rue Saint-Victor 8 eine Atelierwohnung bezog, in der sie bis zu ihrem Tod lebte und arbeitete. Es ist in der Ausstellung faszinierend zu sehen, wie sich Shirley Jaffe, ohne Rücksicht auf ihre lange von finanziellen Unsicherheiten geprägten Lebensumstände, einen eigenen künstlerischen Kontinent eroberte und noch im hohen Alter immer wieder Neues ausprobierte. Besondere Beachtung verdienen die Papierarbeiten, die in der Mitte des Ausstellungsparcours einen fulminanten Auftritt haben. Die Malereien entstanden parallel zu den diszipliniert konzipierten Ölgemälden und sind offensichtlich Ausdruck des wilden und spontanen Ausdruckswillens der Künstlerin. Von Olga Osadtschy in Basel mit grosser Kennerschaft eingerichtet, ist die Rückschau auf das Werk von Shirley Jaffe eine grossartige Gelegenheit, eine in Europa dem grossen Publikum unbekannte Künstlerin zu entdecken.
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Der Untertitel der Ausstellung «Form als Experiment» beschreibt Jaffes künstlerischen Weg exakt: Indem sie in der ersten Phase ihres Werks ihr «uneuropäisches Raumgefühl», wie es ihr Freund und Förderer Arnold Rüdlinger nannte, expressiv zelebrierte und in der zweiten – längeren – Schaffenszeit zahlreiche europäische Perspektiven – von Bonnard bis Sophie Taeuber, von Hans Arp bis Henri Matisse – in ihrer eigenen Bildwelt integrierte, wurde sie zur Botschafterin einer transatlantischen Kunsttradition, die bis heute nachwirkt.

Zur Ausstellung in Basel erschien eine eigene, auf dem Katalog des Centre Pompidou aufbauende deutsch-englische Publikation. Olga Osadtschy, Frédéric Paul (Hg. für das Kunstmuseum Basel): «Shirley Jaffe, Form als Experiment/Form as Experiment», Basel 2023 (Christoph Merian Verlag), 296 Seiten, CHF 49.00.

Eine ausführliche Besprechung unter Berücksichtigung der Katalog-Essays erscheint demnächst
hier.

Illustrationen von oben nach unten: Atelier von Shirley Jaffe, Paris, 13. Oktober 2008 (Kunstwerk im Hintergrund: Bande dessinée en Noir et Blanc, 2009. ©Bibliothèque Kandinsky, Centre Pompidou/Jean-Christope Mazur; ©2023, ProLitteris, Zürich. Shirley Jaffe: Arceuil Yellow, 1956 Centre Pompidou, Paris © ProLitteris, Zürich. Foto Centre Pompidou (Audrey Laurans). Shirley Jaffe: Ohne Titel, um 1965. Centre Pompidou, Paris © ProLitteris, Zürich. Foto Centre Pompidou (Audrey Laurans). Shirley Jaffe: Ohne Titel, 1968. Galerie Nathalie Obadia, Paris/Bruxelles. Foto ©Bernard Huet/tutti image.

«Zerrissene Moderne» und «Der Sammler Curt Glaser» im Kunstmuseum Basel

Wie es dazu kam, dass die Öffentliche Kunstsammlung der Stadt Basel kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs den Grundstein für eine der weltweit berühmtesten Kollektionen der Klassischen Moderne legen konnte, zeigt das Kunstmuseum Basel vom 22.10.2022 bis 12.2. bzw. 19.2.2023 in zwei Ausstellungen.

Elsa und Curt Glaser
Sechs Räume im Untergeschoss des Neubaus sind dem Sammler Curt Glaser (1879-1943) gewidmet, der 1933, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, zuerst seine Stelle als Direktor der Kunstbibliothek in Berlin, später auch seine Pensionsansprüche und seine Staatsbürgerschaft verlor. Noch im gleichen Jahr brachte er einen grossen Teil seiner Wohnungseinrichtung und seiner Kunstsammlung zur Versteigerung. Bei der Auktion erwarb das Kunstmuseum Basel 200 Zeichnungen und Druckgrafiken für das Kupferstichkabinett, darunter bedeutende Werke von Edvard Munch, mit dem Glaser befreundet war. Nach einem langwierigen Rechtsstreit konnten sich der Kanton Basel-Stadt als Eigentümerin der Öffentlichen Kunstsammlung und die Erbengemeinschaft, die zunächst Anspruch auf die Restitution des Konvoluts erhoben hatte, 2020 auf einen Kompromiss einigen. Das Museum anerkannte, dass Glaser seinen Besitz aufgrund der Verfolgung durch das Nazi-Regime veräussert hatte und konnte die 1933 erworbenen Werke behalten. Für Glasers Erben sah die Vereinbarung, die beide Seiten als «gerechte und faire Lösung» akzeptierten, neben einer finanziellen Entschädigung die Zusage vor, das Schicksal des einflussreichen Kunstkenners und Sammlers in einer umfangreichen Ausstellung darzustellen. Dies ist den Kuratorinnen Anita Haldemann, Leiterin, und Judith Rauser, Assistenzkuratorin des Basler Kupferstichkabinetts mit einer klug und kenntnisreich inszenierten Schau in hohem Mass gelungen. Mit Dokumenten und Bildern lassen sie das Leben Curt Glasers, seiner gleichaltrigen Frau Elsa Kolker (1879-1932) und seiner zweiten Gefährtin Maria Milch (1901-1981), mit der er sich nach einem Aufenthalt in Paris noch 1933 in Ascona niederliess, bevor das Paar 1941 über Kuba in die USA emigrierte, Revue passieren. Die Auswahl der ausgestellten Werke beschränkt sich nicht auf die überaus wertvollen 200 Zeichnungen und Druckgrafiken, die das Kunstmuseum 1933 aus Glasers Versteigerung erwarb, sie zeigt vielmehr die ganze Breite der Privatsammlung, die von alten Meistern bis zur Moderne reichte, aber auch ostasiatische, arabische und afrikanische Werke umfasste. Leider war es, wohl aus Platzgründen, nicht möglich, den Bestand von 105 Karikaturen des französischen Künstlers Honoré Daumier (1808-1879), aus der Sammlung Glaser im Basler Kupferstichkabinett in die aktuelle Ausstellung zu integrieren. Er ist im Hauptbau in den Grafikkabinetten im 1. Stock zu sehen.

Die Ausstellung wird ergänzt durch eine inhaltlich umfassende, sehr schön gestaltete Publikation. Haldemann, A. und Rauser, J. (Hrsg.): Der Sammler Curt Glaser. Vom Verfechter der Moderne zum Verfolgten. Berlin 2022 (Deutscher Kunstverlag), 240 Seiten, CHF 38.00. (Eine Broschüre mit Übersetzungen in englischer Sprache liegt bei.)

Georg Schmidt 1939
Im zweiten Obergeschoss des Neubaus sind alle neun Säle den Ankäufen gewidmet, die es 1939 dem damals neuen Museumsdirektor Georg Schmidt ermöglichten, im drei Jahre zuvor eröffneten neuen Kunstmuseum eine «moderne Abteilung» einzurichten. Die Ausstellung dokumentiert nicht nur die Auseinandersetzungen, die sich in Basel – in der Öffentlichkeit und hinter verschlossenen Türen – um das Budget für die Neuerwerbungen abspielten, sie zeigt auch, welch verheerende Schäden die Säuberungsaktionen der Nazis in den staatlichen Kunstsammlungen des Deutschen Reiches anrichteten. 1937 wurden rund 21’000 Skulpturen, Gemälde und Arbeiten auf Papier als «entartet» aus deutschen Museen beschlagnahmt. Unter der Leitung von Propagandaminister Joseph Goebbels und von Adolf Ziegler, dem Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, wurde im Juli 1937 in den Münchner Hofgarten-Arkaden eine Auswahl von 650 Werken aus 32 Museen präsentiert. Zwei Jahre später wählte eine von Joseph Goebbels handverlesene und geleitete Kommission 780 Gemälde und Skulpturen sowie 3500 Arbeiten auf Papier als «international verwertbar» aus. Vier Kunsthändler und das Auktionshaus Fischer in Luzern wurden beauftragt, die Werke an die Meistbietenden zu verkaufen. Das stets am von Zahlungsunfähigkeit bedrohte NS-Regime brauchte dringend Devisen. Georg Schmidt bereitete sich mit der Kunstkommission des Museums sorgfältig auf seine Einkaufstour vor. Er reiste nach Berlin, wo er nicht nur Werke der deutschen und französischen Moderne inspizierte, sondern sich auch Werke zeigen liess, welche die Deutschen nicht für «international verwertbar» hielten. Schmidt war sich der Beschränktheit seiner Mittel und der grossen Konkurrenz bewusst. Zudem musste er sich in einer mehrheitlich bürgerlichen Kunstkommission durchsetzen, die sich wenige Monate zuvor gegen seine Wahl zum Direktor engagiert hatte. Als erstes Werk kaufte
Tierschicksale klein
Schmidt vom beauftragten Kunsthändler Hildebrand Gurlitt für 6000 Franken mit einem Sonderkredit der Basler Regierung «Tierschicksale» von Franz Marc. Etwa die Hälfte der nach heftigen Auseinandersetzungen schliesslich zur Verfügung gestellten 50’000 Franken investierte er in die in Berlin reservierten Werke, die andere Hälfte setzte er während der Luzerner Auktion ein. Für das Basler Kunstmuseum waren die waghalsigen Manöver beim Ausverkauf von 21 Werken «entarteter Kunst» ein einmaliger Glücksfall –zumal sie auch dazu beitrugen, wichtige Kunst-Stücke der Moderne vor der drohenden Zerstörung im Krieg in Sicherheit zu bringen. Allerdings: Für die Arbeiten einer ganzen Generation von jungen Kunstschaffenden, die noch nicht berühmt genug waren, um zu Geld gemacht zu werden, gab es keine Rettung. Sie landeten im Feuer – wie auch die Arbeiten, die bei den Auktionen in Berlin und Luzern übrig blieben.

Die von Eva Reifert, der Kuratorin für das 19. Jahrhundert und die Klassische Moderne, und Tessa Friederike Rosebrock, der Leiterin der Provenienzforschung, mit grosser Sachkenntnis und Sorgfalt kuratierte Schau, wird durch eine sehr informative, alle Aspekte des Themas beleuchtende Publikation begleitet.
Reifert, E.; Rosebrock, T. (Hrsg.): Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe «entarteter» Kunst. Berlin 2022 (Hatje Cantz Verlag), 296 Seiten, CHF 54.00 (Die englische Ausgabe trägt den Titel «Castaway Modernism», 344 Seiten, CHF 54.00)

Wir berichten ausführlich und separat über die beiden Ausstellungen und die Kataloge. Die Besprechung der Ausstellung «Curt Glaser»
steht hier zur Verfügung
und der Text über die «Entartete Kunst» und die Ankäufe für die moderne Abteilung des Kunstmuseums Basel
ist hier nachzulesen.

Illustrationen oben: Elsa und Curt Glaser (Edvard Munch, 1913). Privatsammlung. Foto © Petegorsky / Gipe for Smith College Museum of Art, Northampton, Massachusetts. Mitte: Georg Schmidt (ca. 1939).
Nachlass Georg Schmidt © Kunstmuseum Basel. Unten: Tierschicksale (Franz Marc, 1913). Kunstmuseum Basel.

Picasso und El Greco im Kunstmuseum Basel

El Greco-Picasso
Vom 11. Juni bis 25. September 2022 widmet sich das Kunstmuseum Basel dem merkwürdigen künstlerischen Dialog Pablo Picassos (1881-1973) mit dem aus Kreta stammenden Maler, Bildhauer und Architekten Domínikos Theotokópoulos (1541-1614), der unter dem Künstlernamen El Greco als Meister des spanischen Manierismus berühmt wurde. Die Kuratorin Carmen Giménez und ihre Co-Kuratoren Gabriel Dette und Josef Helfenstein und die Co-Kuratorin Ana Mingot zeichnen Picassos langjährige Auseinandersetzung mit dem Meister der Spätrenaissance mit rund 30 Werkpaaren nach. Die Ausstellung belegt, dass sich Picassos Interesse für den Altmeister schon in sehr jungen Jahren etablierte. 1898, nach der Niederlage im Spanisch-Amerikanischen Krieg, welche das Ende der Kolonialmacht Spanien besiegelte, suchte das Land nach einer neuen Identität. Nationalistische und nostalgische Reflexe dominierten in dieser Zeit auch das Kunstschaffen. Der 15-jährige Maler-Eleve Picasso bewegte sich ab 1895 in Barcelona unter Künstlern, die sich an den Meisterwerken der «Spanischen Schule» orientierten. Ihre Vorbilder waren neben El Greco, Diego Velázquez (1599-1660) und Francisco de Goya (1746-1828). Vor allem El Greco, der in seiner eigenen Bildsprache die Traditionen der griechisch-byzantinischen, der venezianischen und der spanischen Malerei vereinigte und durch sein von Geheimnissen umwehtes, bloss spärlich dokumentiertes Leben faszinierte, war für junge, rebellische Künstler ein ideales Vorbild. Die ersten Beispiele von Picassos Faszination für den Griechen stammen aus den Jahren 1898 und 1899. Herausragend: Sein «Bildnis eines Fremden im Stil El Grecos» (1899), das die für El Greco typische lange Schädelform nachahmte. Auch das «Begräbnis des Casagemas (Evokation)», zwei Jahre später als gemalter Nachruf auf den Freund entstanden, nimmt Bezug auf den Meister – und markiert den Beginn seiner von Melancholie geprägten «blauen Periode». War die Auseinandersetzung mit dem Altmeister am Anfang seiner Malerlaufbahn bisher schon fester Bestandteil der Picasso-Exegese, so schlägt die Kuratorin den Bogen viel weiter: Ihrer Ansicht nach war sie intensiver, als bisher angenommen, und hielt sehr lange an. Rückgriffe auf El Greco prägten nicht bloss die kubistische Periode, die einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet, kamen bis in die späten Jahre immer wieder vor. Die Reihe reicht bis zum «Musketier» von 1967, einem Strongman in spanischer Tracht, auf dessen Rückseite Picasso seine Bewunderung für die Altmeister El Greco, Rembrandt van Rijn und Velázquez in witziger Weise mit der Inschrift «Domenico Theotocopulos van Rijn da Silva» verewigte.

Beim Rundgang durch die neun Räume der Ausstellung, möchten wir wissen, ob die These stimmt, dass Picasso sich praktisch während seiner ganzen Schaffenszeit immer wieder von Bildern El Grecos hat inspirieren lassen. Das Resultat ist wenig überraschend: Es gibt überzeugende Beispiele, wo die Wahlverwandtschaft frappant ins Auge sticht. Aber es gibt auch zahlreiche Momente, wo der Nachweis scheitert. Dies gilt insbesondere für viele der religiösen Motive El Grecos, die bei Picasso keine Resonanz erzeugen. So zum Beispiel, wenn Picassos Kreuzigungsbild («Die Kreuzigung Christi», 1930) El Grecos «Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel» (um 1610/14) zur Seite gestellt wird. Aber die kunsthistorischen Übertreibungen tun der hohen Qualität der Ausstellung keinen Abbruch. Es ist schön, die ausgeliehenen Bilder, sowohl die von Picasso als auch jene El Grecos, in Basel vor unserer Haustür sehen zu können. Und es ist wunderbar, Picassos Werke aus der Sammlung des Museums in diesem Kontext neu zu entdecken. Und besonders gelungen und hilfreich fanden wir die beiden wandfüllenden Zeittafeln, die das Wirken der beiden Künstler in den historischen Kontext stellen. Die ausführliche Chronologie ist auch im Katalog enthalten.

Nachtrag September 2022: Nach sorgfältiger Lektüre der kenntnisreichen Katalog-Aufsätze finden wir keine Anhaltspunkte, die uns unser skeptisches Urteil über die kuratorische These mit Überzeugung korrigieren liesse. Wir verzichten deshalb auf eine ausführliche Besprechung.

Den Katalog zur Ausstellung gibt es in einer deutschen und einer englischen Version. Er enthält Beiträge von Gabriel Dette, Carmen Giménez, Josef Helfenstein, Javier Portús und Richard Shiff: Giménez, C., Helfenstein, J. (Hrsg.): Picasso – El Greco. Berlin 2022 (Hatje Cantz Verlag), 192 Seiten, € 44.00/CHF 50.50

Illustrationen: «Bildnis eines älteren Edelmannes» (El Greco, um 1587/1600), «Jaume Sabartés mit Halskrause und Haube» (Pablo Picasso, 1939)

Pissarro: Das Atelier der Moderne im Kunstmuseum Basel

Porträt Pissarro vers 1900
Das Kunstmuseum Basel widmet Camille Pissarro (1830-1903), dem einflussreichen Erneuerer der Malerei im 19. Jahrhundert, unter dem Titel «Das Atelier der Moderne» vom 4. September 2021 bis 23. Januar 2022 eine grosse Retrospektive. Die von Christophe Duvivier, dem Direktor des «Musée Camille Pissarro» in Pontoise, kuratierte Ausstellung präsentiert in neun Sälen rund 180 Werke. Das Œuvre Pissarros steht dabei im Mittelpunkt; zu sehen sind aber auch Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die zum weit gespannten Netzwerk des besonders zu Freundschaften begabten Malers gehörten, darunter Paul Cézanne, Ludovic Piette, Paul Gauguin, Pierre-Auguste Renoir, Mary Cassatt, Edgar Degas, Claude Monet, Georges Seurat, Paul Signac, sein Sohn Lucien Pissarro und viele andere.

Pissarro, 1830 als Sohn einer ursprünglich aus Portugal stammenden jüdischen Familie auf der damals dänischen Karibik-Insel St. Thomas geboren, begann seine Malerkarriere gegen den Widerstand seines Vaters als 22-jähriger im Schlepptau des dänischen Malers Fritz Melbye in Venezuela. Nach einem kurzen Zwischenhalt bei der Familie, wo er seinen Vater überzeugte, seine Malerkarriere zu akzeptieren, reiste Pissarro 1855 nach Paris. Zunächst als Schüler des führenden Landschaftsmalers Camille Corot (1796-1875), später – auf Drängen des Vaters – auch kurz in der Ecole des Beaux-Arts, suchte der junge Künstler nach seinem eigenen künstlerischen Weg. Unter seinen Zeitgenossen war die Überwindung der sterilen realistischen Ateliermalerei ein ständiges Debattenthema. Die «Schule von Barbizon», um 1830 von Théodore Rousseau (1812-1867) im Wald von Fontainebleau gegründet, galt vielen als Vorbild für die moderne, naturverbundene Landschaftsmalerei. Die Mitglieder der Gruppe skizzierten im Freien und gingen nur zur Fertigstellung ihrer Bilder ins Atelier. Camille Pissarro und einige seiner
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Freunde fanden Anschluss bei der Gruppe, die vom Altmeister Camille Corot (1796-1875) dominiert wurde. Den jungen Neuerern besonders zugewandt erwies sich Charles-François Daubigny, der als einziges Jurymitglied des Salons versuchte, ihnen Ausstellungsmöglichkeiten zu eröffnen. Mit seinem Engagement war allerdings nur selten erfolgreich. Die kollegiale Zusammenarbeit war wohl das wichtigste Charakteristikum der impressionistischen Malerei. In der wunderbaren, didaktisch klug eingerichteten Ausstellung wird augenfällig, wie die Künstler zusammen arbeiteten: Sie wählten ähnliche Sujets und tauschten ihre Ansichten aus. Camille Pissarro war immer mittendrin und prägte die Gruppe mit seinem Geist der Toleranz und des Respekt für die künstlerische Individualität.

So einflussreich Camille Pissarro in seinem Kreis war, so wenig erfolgreich war er als Verkäufer seiner Werke. Anders als einige seiner Freunde, darunter Jean Renoir oder Claude Monet, weigerte er sich, seine Malweise dem Publikumsgeschmack anzupassen. Es widerstrebte ihm, zugunsten des kommerziellen Erfolgs künstlerische Kompromisse einzugehen. In der Ausstellung ist an zahlreichen Beispielen zu sehen, wie revolutionär die Impressionisten den zeitgenössischen Geschmack mit ihrer Malerei herausforderten. Da sie ihre Werke in den offiziellen Verkaufsausstellungen, den «Salons», nicht präsentieren konnten, veranstaltete die Gruppe unter Pissarros Führung als «Société anonyme cooperative des artistes, peintres, sculpteurs, et graveurs» 1874 eine erste Ausstellung. Sie war gewusst als Provokation gemeint und folgerichtig von der Kritik als Schau der «Impressionisten» verunglimpft. Bis 1886 veranstaltete die Gruppe acht Ausstellungen. Camille Pissarro war der einzige Maler, der immer dabei war. Die Beharrlichkeit zahlte sich nicht aus. Er war mit seiner grossen Familie – seine Frau Julie gebar fünf Söhne und drei Töchter, von denen nur eine das Kindesalter überlebte – immer wieder auf Unterstützung angewiesen.

Der Kreativität und der Offenheit für Neues tat das keinen Abbruch. Mit der aus Amerika stammenden Künstlerin Mary Cassatt (1844-1926) und Edgar Degas (1834-1917) erprobt er in den späten 1870er Jahren die Möglichkeiten, die impressionistische Wiedergabe von Lichtreflexen in Radierungen anderen Druck-Techniken einzusetzen. Die lange in Vergessenheit geratene Mary Cassatt ist in der Ausstellung mit fünf Kaltnadelradierungen aus einer späteren Schaffensperiode präsent. Zwei der Arbeiten aus dem Jahr 1891 könnte man schon fast dem Jugendstil zuordnen.

Pissarro hatte die Selbstverwaltung seiner Impressionisten-Freunde auch aus politischen Gründen gewählt. Als überzeugter Anarchist und Bewunderer des Vordenkers Pjotr Kropotkin unterstützte er die Bewegung und agitierte gegen die prekären Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse. Seine Überlegungen formulierte er in einer Broschüre mit dem Titel «Turpitudes sociales», die er mit satirischen Zeichnungen illustrierte und seinen Nichten schenkte.

Pissarro Ährenleserinnen
In seinen späteren Jahren wandte sich Pissarro von der reinen Landschaftsmalerei ab und den (arbeitenden) Menschen zu. Nicht mehr Bäume, Büsche und Wiesen spielen in diesen Gemälden die Hauptrolle, sondern die Bewohner dieser Landschaften. Es entstanden eindrückliche Impressionen der jahreszeitlichen Arbeiten der Bauern auf den Feldern rund um seinen Wohnort (seit 1884) Éragny, einem kleinen Dorf im Tal der Oise. Dort entwickelt sich im Austausch mit seinen fünf Söhnen, die alle begabte Künstler sind, die «Schule von Éragny».

Auf seiner letzten künstlerischen Etappe, ab 1893, malte Camille Pissarro mit Vorliebe Stadtlandschaften. Erstmals kann er es sich leisten zu reisen. Er mietet Wohnungen in verschiedenen Städten, von deren Fenster aus er das Leben auf den Strassen beobachtet und malt, zum Teil dasselbe Motiv zu verschiedenen Tageszeiten. Besonders faszinieren ihn Häfen, die er in Dieppe, Rouen und Le Havre abbildet.

Auch wer sich weniger für die Details der impressionistischen und neoimpressionistischen Malweise interessiert, wird das grossartig präsentierte Panorama von Camille Pissarros Werk und seines «Atelier der Moderne» als grossen Kunstgenuss erleben.

Zur Ausstellung erschien ein sowohl mit aufschlussreichen Texten als auch mit üppiger Illustration auftrumpfender Katalog in je einer deutschen und einer englischen Version.
Helfenstein, J. und Duvivier, Chr.: Camille Pissarro: Das Atelier der Moderne. München 2021 (Prestel Verlag). 336 Seiten, CHF 59.00.

Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung und des Katalogs
ist hier zu finden.

Illustrationen: Camille Pissarro um 1900 (Fotograf unbekannt), Camille Pissarro; Côte des Boeufs, Pontoise (1877), Camille Pissarro: Les Glaneuses (1889). Dieses Bild, das bisher als Leihgabe zur Sammlung gehörte, wurde dem Museum kurz vor Ausstellungseröffnung geschenkt.

Sophie Taeuber-Arp im Kunstmuseum Basel

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Drei Monate lang, vom 20. März bis zum 20. Juni 2021, zeigt das Kunstmuseum Basel das Werk von Sophie Taeuber-Arp (1889-1943) und damit die ganze Vielfalt ihrer Welt als Avantgarde-Künstlerin. Die mit über 250 Exponaten auftrumpfenden Retrospektive, soll der in Davos geborenen Tochter des aus Westpreussen stammenden Apothekers Carl Emil Taeuber und der Schweizer, in Gais (AR) heimatberechtigten Mutter Sophie Taeuber-Krüsi, endlich internationale Anerkennung und den ihr gebührenden Platz am Firmament der klassischen Moderne sichern. Denn was in der Schweiz, in Deutschland und in Frankreich längst unbestritten ist, scheint in der angelsächsischen Welt erst für einige Expertinnen klar zu sein. Die Initiative zur Ausstellung ging deshalb vom Museum of Modern Art (MoMA) in New York aus. Dort – und später in der Tate Modern in London – sollte die Ausstellung im November 2020 eröffnet werden. Die Corona-Pandemie erzwang Verschiebungen, sodass Basel nun den Vortritt erhielt. Das führt dazu, dass sich Schweizer Taeuber-Fans stark an die umfassende Retrospektive erinnern, die das Aargauer Kunsthaus in Aarau 2014 unter dem Titel «Sophie Taeuber-Arp – Heute ist Morgen» ausrichtete – was dem grossen Vergnügen an der wunderbaren Basler Präsentation keinerlei Abbruch tut. Für alle, die Sophie Taeubers Kunst lieben, und erst recht für alle, die sie nur von der 50-Franken-Note der achten Serie (1995-2016) kennen, ist der Besuch im Kunstmuseum dringend zu empfehlen.

In neun Räumen begegnen wir hier, meist in chronologischer Ordnung arrangiert, dem Oeuvre einer Frau, die wohl allzu lange als tüchtige und einfallsreiche Kunstgewerblerin missverstanden wurde. Dabei wird schon in den frühen Arbeiten deutlich, dass Sophie Taeuber, die von ihrer Mutter nach Kräften gefördert, an der Gewerbeschule in St. Gallen und später in München und Hamburg eine solide künstlerische Ausbildung genoss, zwischen angewandter und «freier» Kunst keinen Unterschied machte. (Es scheint, dass die Unterscheidung weniger von Künstlerinnen und Künstlern gemacht wurde und wird – man denke an Sonja Delaunay, Hannah Höch oder an Anni Albers, aber auch an Le Corbusier, an Pablo Picasso, Max Bill, Theo van Doesburg und viele andere – als vielmehr von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern und ihrem praxisfernen Schubladendenken.) Bei Sophie Taeuber-Arp trat zur ungewöhnlichen Breite von Begabungen ein starker Entdecker-Drang hinzu, der sie fortwährend Neues ausprobieren liess.

Hirsch klein
Die Vielfalt ihrer Interessen war gepaart mit einer praktischen Bodenständigkeit, die sie davor bewahrte zu vergessen, dass sich Kreativität ohne wirtschaftliche Ressourcen nicht entfalten kann. Um sich ein regelmässiges Einkommen zu sichern, übernahm sie 1915 ein acht Wochenstunden umfassendes Lehrpensum für Entwerfen und Sticken an der kunstgewerblichen Abteilung der Zürcher Gewerbeschule. 12 Jahre lang, bis zu Ihrem und Hans Arps Umzug nach Frankreich, blieb sie als Lehrerin engagiert. Zu den zahlreichen Impulsen, die sie der Schule gab, gehörte die Beteiligung am Schweizerischen Marionettentheater, das Rektor Alfred Altherr 1918 gründete. Sophie Taeuber erfand und baute die Figuren für die Inszenierung «König Hirsch», einer satirischen Aktualisierung von Carlo Gozzis (1720-1806) «Il Re Cervo». Wegen der Grippe-Pandemie wurde das Stück nur drei Mal aufgeführt. In der Basler Ausstellung werden die Marionetten in einer Vitrine so präsentiert, dass sie von allen Seiten betrachtet werden können. Sie sind zudem auch in einer Videoprojektion in Aktion zu sehen. Als besondere Attraktion führen die Marionetten vom 18. bis 31. März abends zwischen 18.30 und 23 Uhr auf der Fassade des Kunstmuseum-Neubaus einen «Lockdown Dada Dance» auf. (Wer nicht dabei sein kann, ruft die Website http://dada-dance.com auf.)

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Auf ihrem künstlerischen Lebensweg begleiten wir Sophie Taeuber-Arp zunächst nach Strassburg, wo sie in Privathäusern als Innenarchitektin wirkt. Ihre Wandbilder und farbigen Glasfenster führen zum Grossauftrag, das Kultur- und Vergnügungszentrum «L’aubette» an der zentralen Place Kléber zu gestalten. Hans Arp und Theo van Doesburg (1883-1931) waren an Planung und Ausführung beteiligt. Die avantgardistische, grosses Aufsehen erregende Einrichtung blieb leider nur wenige Jahre unangetastet – zu sehr widersprach sie dem Geschmack des Publikums. Immerhin machte es das Honorar 1929 Sophie und Hans Arp möglich, am Stadtrand von Paris, in Clamart, einem Ortsteil von Meudon, ein Atelierhaus zu bauen, das alsbald zu einem Magnet der Pariser Avantgardisten-Szene wurde. In einem Brief, der in der Ausstellung zusammen mit anderen Zitaten auszugsweise zu hören ist, beklagte sie sich, dass sie die Bewirtung der vielen Besucher vom Arbeiten abhalte. Ihr Pensum war auch ohne Gäste kaum zu bewältigen: Neben dem Kunstschaffen betätigte sie sich als Organisatorin von und Teilnehmerin an Ausstellungen, als Animatorin der nicht-figurativen Avantgarde, die sich in der Gruppen «Cercle et Carré» und «Abstraction Création» zusammengetan hatte, oder als Gestalterin und Redaktorin der programmatischen Kunstzeitschrift «Plastique/Plastic».

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Im Januar 1937 eröffneten die Kuratoren Georg Schmidt (1896-1965), der nachmalige Direktor des Kunstmuseums, und Lucas Lichtenhan (1898-1969) in der Kunsthalle Basel die Gruppenschau «Konstruktivisten». Die bestens vernetzte Sophie Taeuber hatte sie bei der Auswahl der Werke kräftig unterstützt und selbst 24 ihrer Arbeiten beigesteuert. Die Avantgarde-Schau, auch als kraftvolles politisches Statement gegen die rassistisch und nationalistisch geprägte Kunstpolitik jenseits der Grenze gemeint, war für Sophie Taeuber die umfangreichste Werkschau zu ihren Lebzeiten. (Fast gleichzeitig räumten übrigens die Nazis die «Verfallskunst» aus den Museen, und der Maler Adolf Ziegler (1891-1959) – der 1912 Sophies Freund und Gefährte gewesen war – organisierte im Sommer in München die berüchtigte Ausstellung «Entartete Kunst».)

Im Sommer 1940 flohen die Arps vor den Nazi-Truppen aus Clamart. Peggy Guggenheim lud sie nach Veyrier-sur-Lac in Savoyen ein, um dort auf das Visum für die Schweiz zu warten. Nach der Ablehnung des Antrags zogen sie nach Grasse weiter. Die künstlerischen Arbeiten, die Sophie Taeuber in diesen Jahren vollendete, sind geprägt vom Material-Mangel und der Ruhelosigkeit der Emigration. Kurz vor der Besetzung Südfrankreichs durch deutsche und italienische Truppen konnten sich die Arps mit einem befristeten Visum nach Zürich absetzen. Wenige Wochen später, in der Nacht auf den 14. Januar 1943, starb Sophie Taeuber-Arp im Schlaf an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung, weil im Gästezimmer in Max Bills Haus der Abzug am Holzofen geschlossen war.

Illustrationen: Sophie Taeuber-Arp mit Dada-Kopf (Scan aus dem Katalog, S. 116; Foto: Nic. Aluf (1885-1959), Bibliothèque Kandinsky, Centre Pompidou, Paris; «Hirsch» (Marionette für König Hirsch) 1918, Museum für Gestaltung, Zürcher Hochschule der Künste, Kunstgewerbesammlung. Courtesy Umberto Romito, Ivan Suta; Aubette 200 (Entwurf für die Decke der Aubette-Bar in der Aubette, Strassburg)
Sophie Taeuber-Arpː Gelebte Abstraktion
1927 (Scan aus dem Katalog, S. 145, Stiftung Arp e.V., Berlin); «Dynamische Konstruktion, Durchdringung von Spiralen und Diagonalen» 1942, Foto aus der Ausstellung im Kunstmuseum Basel © Jürg Bürgi 2021.

Die umfangreiche und sehr schön gestaltete Publikation zur Ausstellung gibt es in einer englischen und einer deutschen Ausgabe: Umland, A., Krupp, W., Healy, Ch. und (für die deutsche Ausgabe) Reifert, E., Beck, C. (Hrsg. für das Museum of Modern Art, New York und das Kunstmuseum Basel): Sophie Taeuber-Arp – Gelebte Abstraktion. München 2021 (Hirmer Verlag), 352 Seiten, € 58.00/CHF 59.00.

Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung und des Katalogs ist
hier zu finden.

«Kosmos Kubismus – Von Picasso bis Léger» im Kunstmuseum Basel

Der Portugiese klein
In chronologischer Ordnung dokumentiert die Ausstellung «Kosmos Kubismus» im Kunstmuseum Basel vom 30. März bis 4. August 2019 die von Georges Braque(1882 bis 1963) und Pablo Picasso (1881 bis 1973) ab 1908 angestossene Revolution des künstlerischen Gestaltens. Anders als die 1990 auf Picasso und Braque fokussierte, von William Rubin (1927 bis 2006), dem legendären Direktor des Museum of Modern Art in New York, 1990 kuratierte Schau am gleichen Ort, erweitert die aktuelle Ausstellung das Spektrum in zeitlicher und künstlerischer Hinsicht. 130 Gemälde, Collagen und Skulpturen belegen die lustvolle Kreativität, mit der die beteiligten Künstlerinnen und Künstler die gängigen Qualitätsnormen und die Sehgewohnheiten über den Haufen warfen. Die in Zusammenarbeit mit dem Centre Pompidou in Paris und der Kuratorin Brigitte Léal entstandene und in Basel von Eva Reifert eingerichtete Ausstellung, führt Besucherinnen und Besucher durch einen in neun Kapitel gegliederten Parcours. Er beginnt bei den Landschaftsbildern aus dem heute zu Marseille gehörenden Fischerdorf L’Estaque, das sich seit seiner Entdeckung durch Paul Cézanne (1839-1906) zu einem Treffpunkt zahlreicher Künstler entwickelt hatte. Neben Cézannes südfranzösischen Landschaften beeinflussten afrikanische und pazifische Skulpturen Picassos und Braques Abkehr von der gängigen Kunstauffassung. Mit der schrittweisen Reduktion auf geometrische Formen ging eine Beschränkung des Farbspektrums einher. Grau, Braun und Grün dominieren die kubistische Kunst während Jahren. Nach 1910 tauchen in Braques und Picassos Arbeiten Buchstaben und andere typografische Elemente auf, erstmals in Braques «Der Portugiese» von 1911. Eva Reifert zitiert im Katalog Braques Begründung für die schablonierten Zeichen als «Formen, an denen es nichts zu entstellen gab». Ein eigener Raum ist sodann der Vernetzung der Kubisten mit Verlegern, Sammlern und Dichtern gewidmet, welche die neue Kunstrichtung mit Ankäufen und Auftragsarbeiten förderten.
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Besonders die amerikanische Dichterin und Sammlerin Gertrude Stein (1874-1946), der aus Mannheim zugewanderte Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler (1884-1979) und der Literat Guillaume Apollinaire (1880-1918), der polnisch-italienische Wurzeln hatte, boten tatkräftige und nachhaltige Unterstützung. In zwei Räumen ist zu verfolgen, wie ab 1912 die Farbe zurückkehrte und wie die Collage eine reale Dreidimensionalität ins Bild brachte. Der Schritt zu skulpturalen Assemblagen aus mannigfaltigen Gebrauchsgegenständen erfolgte wie selbstverständlich – und wirkte lange nach: Der Stierschädel aus einem Velosattel und einem Lenker, den Picasso 1942 zusammenbaute, ist zum Beispiel ein spätes Echo auf die Innovationen, die 30 Jahre zuvor entstanden waren. In den beiden letzten Räumen sind Arbeiten aus den sogenannten kubistischen Salons ausgestellt. Denn die Entwicklung blieb ja nicht stehen. Jüngere Künstlerinnen und Künstler liessen sich von den Erfindern des Kubismus inspirieren und brachten ihn mit eigenen Ideen weiter. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs war nicht nur für zahlreiche Avantgardisten eine Katastrophe, erbeutete auch für das kubistische Schaffen eine tiefe Zäsur. Viele der begabtesten kamen in den Schützengräben um, andere überlebten und mussten sich und ihre Kunst – wie zum Beispiel Fernand Léger – gänzlich neu erfinden.

Die Treppe klein
Wer bedauert, dass die Basler Ausstellung kompakter und konzentrierter daherkommt als die im vergangenen Winter gezeigte Schau im Centre Pompidou Paris, wird ohne weiteres zugeben können, dass sie in der verbliebenen Fülle die eigene Aufnahmefähigkeit durchaus strapaziert. Und wichtiger: Die Präsentation ist für das Kunstmuseum Basel «von zentraler Bedeutung», wie Direktor Josef Helfenstein in seinem Vorwort zum Katalog bemerkt. Denn neben den Highlights der älteren Abteilungen – Holbein und Böcklin – bildet der Kubismus «eine tragende Säule in der Sammlung». Zu verdanken ist die weltweit bekannte Dichte an herausragenden Werken dieser Epoche dem Schweizer Bankier und Mäzen Raoul La Roche (1889-1965), der in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts einen grossen Teil seiner Kollektion, darunter zahlreiche Werke von Pablo Picasso, Georges Braque und Juan Gris, dem Kunstmuseum schenkte. Die jetzt zusammen mit dem Centre Pompidou entwickelte Ausstellung, schreibt Helfenstein, «bietet die einmalige Gelegenheit, den Kubismus in Basel so umfassend wie noch nie zu präsentieren.» Ohne den soliden Grundstock aus Basel, darf man mit bescheidenem Stolz anfügen, wäre die Dichte der Ausstellung nicht zu erreichen gewesen.

Soll man es bedauern oder sich darüber freuen: Wer den «Kosmos Kubismus» im Basler Kunstmuseum betritt, muss nicht, wie in der fast gleichzeitig in der Fondation Beyeler in Riehen stattfindenden Ausstellung «Der junge Picasso. Blaue und Rosa Periode»
(Besprechung hier) befürchten, an der Kasse Schlange stehen zu müssen und im Innern wegen der Menge der Besucherinnen und Besucher nur hin und wieder einen Blick auf die Kunstwerke erhaschen zu können. Insgesamt muss man – ohne der grossartigen Schau der Fondation Beyeler Unrecht zu tun – der klug arrangierten und in ihrer Fülle überwältigenden Präsentation des Kunstmuseums die nachhaltigere Wirkung zubilligen. Während der Publikumsmagnet in Riehen ohne Zweifel eine grosse kulinarische Wirkung entfaltet, wird die anspruchsvolle historische Präsentation des Kunstmuseums – wie vor knapp 30 Jahren «Die Geburt des Kubismus» – als einzigartiges Erlebnis noch lange nach ihrem Ende nachwirken.

Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung und des Katalogs ist
hier im Archiv zu finden.

Der Katalog zur Ausstellung ist eine adaptierte und übersetzte Fassung der Schau im Centre Pompidou, Paris (Herbst/Winter 2018/19).
Léal, B., Briend, Ch., Coulondre, A., Helfenstein, J., Reifert E.: Kosmos Kubismus. Von Picasso bis Léger. München 2019 (Firmer Verlag) 320. Seiten, CHF 49.00/ €49.90.

Illustrationen von oben nach unten: Georges Braque: Der Portugiese (1911/12); Sonia Delaunay: Elektrische Prismen (1914); Fernand Lager: Die Treppe (1914).

Basel Short Stories im Kunstmusem Basel

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«Basel Short Stories» heisst eine Ausstellung des Kunstmuseums Basel, die vom 10. Februar bis 21. Mai 2018 «von Erasmus bis Iris von Roten» mit bekannten und unbekannten Exponaten aus öffentlichen und privaten Sammlungen ein kulturhistorisches Panorama entfaltet, das vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Das schön gestaltete Begleitbuch aus dem Christoph Merian Verlag ist mehr als ein gewöhnlicher Ausstellungsführer. Es hilft, das kollektive Gedächtnis zu stärken, indem es eine Fülle von Verbindungen zwischen den Epochen der lokalen Geschichte sichtbar macht und den Reichtum der Museumsbestände in Erinnerung ruft.

Die ausführliche Besprechung der Ausstellung und der Publikation
steht hier als PDF zur Verfügung.

Helfenstein, J., Düblin, K., Wismer, M. (Hg): Basel Short Stories. Von Erasmus bis Iris von Roten. Basel 2018 (Christoph Merian Verlag). 238 Seiten, CHF 38.00

Bruce Nauman im Schlaulager der Laurenz-Stiftung

Über 170 Arbeiten auf über 4000 Quadratmetern: Eine so umfassende Retrospektive auf das in über 50 Künstlerjahren entstandene Werk von Bruce Nauman (*1941) gab es seit Jahrzehnten nicht mehr. In Zusammenarbeit mit dem Museum of Modern Art in New York bietet die Laurenz-Stiftung in ihrem Schaulager in Münchenstein bei Basel vom 17. März bis zum 26. August 2018 einen einzigartigen Einblick in das kreative Universum eines der wichtigsten Kunstschaffenden der Gegenwart. Auf dem Parcours durch die von Kathy Halbreich (Laurenz Foundation und MoMA) mit Heidi Naef und Isabel Friedli (Schaulager) kuratierte Schau sind unter dem Titel «Disappearing Acts» sowohl ganz frühe als auch neueste Werke zu entdecken, darunter – als Weltpremieren – die 3D-Video-Installation «Contraposto Split» (2017) und die vor kurzem fertiggestellte Skulptur «Leaping Foxes» (2018), eine kopfstehende Variante der «Animal Pyramide» von 1989. Selbstverständlich sind auch die seit Jahren als Ikonen der Gegenwartskunst geltenden
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Neonröhren-Installationen prominent präsent. Unübersehbar ist die Fülle der Medien und Materialien, die Nauman für seine Werke verwendet. In der Vorbereitungsphase arbeitet er seit jeher ganz traditionell mit Entwurfszeichnungen auf Papier, bevor er seine Ideen umsetzt und dabei neben vergänglichem und dauerhaftem Material für Skulpturen und Environments in grossem Massstab auch Fotos, Video, Film und Neonröhren verwendet. Typisch für Nauman ist, dass seinen Arbeit kein einheitliches stilistisches oder konzeptuelles Prinzip zugrunde liegt – was ihm gelegentlich auch zum Vorwurf gemacht wurde. Kuratorin Kathy Halbreich fand in den «verschiedenen Erscheinungsweisen des Verschwindens» ein Muster in Naumans Gesamtwerk, das sie nun ihrem Ausstellungskonzept zugrunde legte.«Disappearing Acts», schreibt sie, «weckten und fesselten seine emotionale, intellektuelle und formale Aufmerksamkeit von seinen letzten Studienjahren bis heute». Uns fiel auf unserem ersten Rundgang auf, wie oft der Künstler ausweglose Situationen darstellt: Die beklemmende Enge der «Corridor-Installation», die 100 Varianten des «Live and Die»-Neon-Tableaus, die Endlosschleife der Neon-Installation «The True Artist Helps the World by Revealing Mystic Truths», die Folter von Clowns in Videos, oder das von Todesfurcht geprägten Finale des gefilmten Zwiegesprächs «Good Boy Bad Boy»: «I don’t want to die. You don’t want to die. We don’t want to die. This is fear of death.» Auf ähnliche Beklemmung zielen die bewegten Neon-Skulpturen aus, die Sex mit Mord und Selbstmord verbinden. Und viele andere.

Weil im Schaulager der Platz für drei weitere, besonders raumgreifende Arbeiten fehlte, sind diese im Kunstmuseum Basel ausgestellt. Das Ausstellungsticket, das zum dreimaligen Eintritt ins Schaulager berechtigt, gilt auch für einen einmaligen Besuch des Kunstmuseums.

Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung, auch unter Berücksichtigung der Publikationen, folgt demnächst
hier.

Der Bedeutung der Retrospektive entsprechend befassen sich mehrere neue Publikationen mit Bruce Naumans Werk.

Der Katalog enthält weit mehr als die ausgestellten Werke und Erläuterungen dazu, er bietet vielmehr ein Inventar des ganzen Œuvres und versammelt Aufsätze der bedeutendsten Fachleute über zahlreiche Aspekte von Naumans Kunst-Kosmos. Halbreich, K. et al. (Hrsg.): Bruce Nauman: Disappearing Acts. Münchenstein/New York 2018 (Laurenz-Stiftung/Museum of Modern Art). 356 Seiten, CHF 75.00.

Eine weitere Publikation befasst sich aus kunstwissenschaftlicher Sicht mit der Zeitgenossenschaft von Naumans Werk. Ehninger, E. (Hrsg. für die Laurenz-Stiftung): Bruce Nauman: A Contemporary. Münchenstein 2018 (Laurenz-Stiftung). 262 Seiten, CHF 28.00

Für Besucherinnen und -besucher steht ein sorgfältig gestaltetes Ausstellungsheft zur Verfügung, in dem der Künstler und seine Werke kenntnisreich vorgestellt werden.

Illustration: Bruce Nauman, The True Artist Helps the World by Revealing Mystic Truths (Window or Wall Sign), 1967, Ausstellungskopie, © Bruce Nauman / 2018, ProLitteris, Zürich, Foto: Tom Bisig, Basel (Ausschnitt der Ausstellungsansicht).

Holbein bis Tillmans

Etwa 250 Werke, die rund 120 Künstlerinnen und Künstlern seit dem 15. Jahrhundert geschaffen haben, versammelt Theodora Vischer, die Direktorin des Schaulagers in Münchenstein bei Basel, vom 4. April bis 4. Oktober 2009 in ihrer Schau «Von Holbein bis Tillmans,». Über 200 der Exponate gehören dem Kunstmuseum Basel, das seine Säle für eine grosse van Gogh-Ausstellung leer räumen musste. Das bot Gelegenheit, die Kunst-Stücke vorübergehend im Schaulager aufzunehmen und sie mit Werken der Gegenwartskunst zu konfrontieren. Zu sehen ist nun ein spannendes, zum Teil witziges Panoptikum voller Überraschungen. Bilder, die in unserem Bewusstsein seit Kindertagen im Kunstmuseum ihren festen und sicheren Platz hatten, gewinnen in der ungewohnten Umgebung ganz neue Qualitäten. Der Kuratorin, die sich offensichtlich erlaubte, mehr auf ihre Intuition als auf ihr kunsthistorisches Wissen zu setzen, gelingt es mit ihrem, bescheiden als «Bilderessay» affichierten Experiment, «Reflexion und Imagination» ihres Publikums zu erweitern. Mehr...