Louise Bourgeois

Jubiläumsausstellung der Fondation Beyeler

Drei Frauen
Praktisch die ganze Fläche der Fondation Beyeler in Riehen stand dem Kurator Raphaël Bouvier zur Einrichtung der Sammlungspräsentation zum 25-jährigen Jubiläum zur Verfügung. Er nutzte die 20 Räume in grosszügiger, um einen Teil der rund 400 Gemälde und Skulpturen aus dem 19., 20. und 21. Jahrhundert zu inszenieren, über die das meistbesuchte Museum der Schweiz inzwischen verfügt. Zu sehen sind einerseits die prominentesten Künstler und ihre Werke. Ihnen sind ganze Räume gewidmet: Claude Monet, Alberto Giacometti, Henri Matisse, Paul Klee, Juan Miró, Marc Rothko und – als einzige Künstlerin – Marlene Dumas. Mit 30 Bildern und Skulpturen besitzt die Fondation Beyeler eine der weltweit qualitätvollsten Werkgruppen von Pablo Picasso. Kein anderer Künstler ist in der Sammlung mit einer so grossen Zahl von Arbeiten vertreten. Andere Künstlerinnen und Künstler werden im Kontext ihrer Kunstbewegung präsentiert, zum Beispiel der Postimpressionismus, die frühe Abstraktion oder die Pop-Art. Arbeiten der Gegenwartskunst, zum Beispiel von Louise Bourgeois (1911-2020), Tacita Dean (geb. 1965) oder Roni Horn (geb. 1955) sind in Gegenüberstellungen arrangiert. Insgesamt belegt die für die Ausstellung getroffene Auswahl die hohe Qualität der von Ernst und Hildy Beyeler in ihre private Sammlung aufgenommenen Werke. Und sie demonstriert gleichzeitig, wie schwierig es ist, bei der Erweiterung der Sammlung mit zeitgenössischen Werken dieses hohe Niveau sicherzustellen. Einige der neu erworbenen Arbeiten werden in der Jubiläumsausstellung zum ersten Mal überhaupt gezeigt, darunter die 2020 entstandene skulpturale Installation «Poltergeist» der englischen Künstlerin Rachel Whiteread (geb. 1963). Und – Überraschung! – Pierre Bonnards Gemälde «La Source ou Nu dans la baignoire» von 1917, die erste Erwerbung eines Werks der klassischen Moderne seit dem Tod des Stifter-Ehepaars.

Hanson und Kiefer
Zwei Dinge sind uns beim Rundgang durch die sehr sehenswerte Schau aufgefallen. Erstens – augenfällig und irritierend – die Anwesenheit der hyperrealistischen Skulpturengruppen des Amerikaners Duane Hanson (1925-1996). Wurden sie aufgestellt, weil der Kurator der Überzeugungskraft der ausgestellten Werke misstraute? Sicher nicht! Oder hielt er es für nötig, mit Hilfe von Hansons sozialkritisch aufgeladenen Inszenierungen die Feier des inzwischen dem bürgerlichen Kunstkanon zugerechneten Sammlungsbestands ironisch zu brechen? Oder ging es bloss darum – wie es im Pressetext heisst – «erstmals überhaupt eine repräsentative Gruppe von Hanson-Skulpturen im Kontext einer Museumssammlung» zu zeigen? Unbestritten ist, dass die Fremdkörper in einzelnen Fällen eine witzige Ergänzung schaffen – zum Beispiel die Mutter mit dem Buggy inmitten von Giacomettis lebensgrossen Figuren. Hansons Bautrupp auf dem Gerüst vor Anselm Kiefers riesigem Werk «Dein und mein Alter und das Alter der Welt» von 1997 beeinträchtigt unserer Ansicht nach dessen Monumentalität in grotesker Weise. Die zweite Auffälligkeit ist die Hängung einzelner Gemälde. Sie sind so locker platziert, dass ganze Wandteile unbespielt bleiben. Das konzentriert zwar die Aufmerksamkeit der Betrachtenden auf das einzelne Werk. Doch fragt man sich im Wissen um den Reichtum der Sammlung, weshalb da und dort nicht noch Platz für die eine oder andere Preziose gewesen wäre. Ist das Magazin wegen vieler Ausleihungen leer? Oder wurden die nicht berücksichtigten Werke als zu wenig publikumswirksam eingeschätzt?

Cover
Der Fondation Beyeler ist es offensichtlich wichtig, ihre Sammlung mit der Jubiläumsausstellung einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Dass die Boulevardzeitung «Blick» des kunstsinnigen Verlegers Michael Ringier als «Medienpartner» firmiert, unterstreicht diese Intention ebenso wie das breit angelegte Rahmenprogramm. Die Podcasterin Stefanie Müller-Frank begleitet ab dem 3. November kulturell interessierte Gäste durch die Ausstellung und vermittelt deren Eindrücke unter dem Titel «So gesehen» in Podcasts. Besonders reichhaltig sind die Angebote für Kinder und Jugendliche. Das ganze Begleitprogramm, das natürlich auch kreative Angebote und Führungen für Erwachsene umfasst, ist auf der Website der Fondation Beyeler verfügbar.

Zur Jubiläumsausstellung erschien auch eine Publikation:
Fondation Beyeler, Bouvier, R. (Hrsg.): Fondation Beyeler. 25 Highlights. Riehen/Berlin 2022 (Fondation Beyeler/Hatje Cantz Verlag). 80 Seiten CHF 12.00 in der Ausstellung €18.00 im Buchhandel.

Illustrationen, oben von links: Paul Cézanne: Mme Cézanne à la chaise jaune, 1888-1890, Pablo Picasso: Epoque des Demoiselles d’Avignon, 1907 © Succession Picasso/2022, Pro Litteris, Zürich . Henri Matisse: Nu bleu I, 1952 © Succession H. Matisse/2022, Pro Litteris Zürich. alle: Sammlung Beyeler, Fondation Beyeler Riehen, Foto Robert Bayer, Basel. Mitte Duane Hanson: Lunchbreak, 1989
(vorn) und Anselm Kiefer: «Dein und mein Alter und das Alter der Welt», 1997 (Im Hintergrund). Foto aus der Ausstellung, © 2022 Jürg Bürgi, Basel. Unten: Cover der Ausstellungsbroschüre (Verlagskatalog).

Duft der Kunst im Museum Tinguely

36 Künstlerinnen und Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts und ein halbes Dutzend Kollegen aus der Zeit des Barock schufen das Material, das vom 11. Februar bis zum 17. Mai 2015 im Museum Tinguely in Basel unter dem Titel «Belle Haleine», den «Duft der Kunst» verbreitet. Es sei die erste Ausstellung einer geplanten Reihe über die menschlichen Sinne, erklärte Museumsdirektor Roland Wetzel in seiner Einführung. Und der Start ist, wie ein erster Rundgang zeigt, trotz der Schwierigkeit, olfaktorische Reize und visuelle Effekte zu Kunstwerken zu vereinen, fulminant gelungen. Dies ist wohl in erster Linie dem Mut der Kuratorin Annja Müller-Alsbach zu verdanken, die Schau nicht künstlich einem Oberthema unterzuordnen, sondern die Kunstwerke lediglich
Nase
lose zu gruppieren. So gibt es eine Werkgruppe, die dem menschlichen Körper und seinen Ausdünstungen gewidmet ist, eine andere befasst sich mit der Kommerzialisierung der Düfte und eine dritte mit den Gerüchen der Natur. Die Fülle der Variationen ist überwältigend überraschend. Sie beginnt mit Duftbildern aus dem Barock, demonstriert an Beispielen – Duchamps Glasphiole mit «Air de Paris» oder Jean Tinguelys mit Abgas- und Maiglöckchenduft gefüllter Ballon, den er 1959 auf der ersten Pariser Biennale zum Getöse seiner «Méta-Matic Nr. 17» platzen liess – die lange Tradition olfaktorischer Kreativität. Wie man mit Düften manipulatorisch wirkt, zeigt etwa die gemeinsam von Carsten Höller und François Roche erfundene «Hypothèse de grue» – ein Spiel mit dem Wortfeld zwischen Kran und Schnepfe (Dirne): Eine Nebelmaschine stösst den Sexuallockstoff Pheromon aus und dazu weitere nicht deklarierte Neurostimulanzien und macht die ahnungslosen Betrachtenden zu Versuchskaninchen. Wie sich im Bereich der Gerüche Kunst und Wissenschaft, Inspiration und Rationalität verbinden, ist sehr eindrücklich in der Arbeit «The Fear of Smell – the Smell of Fear» der norwegischen Künstlerin Sessel Tolaas zu sehen. Die Arbeit basiert auf einer wissenschaftlichen Studie, welche die Ausdünstungen von Phobikern erforschte. Die Duftmoleküle wurden analysiert und anschliessend synthetisiert und mikroinkapsuliert, sodass die Künstlerin damit die Wände imprägnieren konnte, und die Betrachtenden nun da und dort eine Nase voll nehmen können.

Zur Ausstellung erschien an Stelle eines Katalogs eine 24-seitige Broschüre. Die Beiträge zu einem am 17. und 18. April geplanten Symposium werden später in einer separaten Publikation erscheinen.

Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung ist
hier zu finden.

Louise Bourgeois bei Beyeler

«Eine konzentrierte Auswahl» nennt die Fondation Beyeler die 20 Werke, die sie, inszeniert von Kurator Wulf Küster, als Hommage zum 100. Geburtstag der franko-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois (1911 bis 2010) vom 3.9.2011 bis zum 8.1.2012 zeigt. Teils inmitten von Werken anderer Künstler aus der Sammlung der Fondation in Riehen, teils in eigenen Räumen belegen skulpturale und zeichnerische Arbeiten die ungewöhnliche Breite ihres Schaffens, das die Klassische Moderne mit der Gegenwartskunst verbindet. Den Anfang und das Ende der Werkschau bilden zwei herausragende Werke: im Park, von Bäumen umgeben, die monumentale Riesenspinne «Maman» aus dem Jahr 1999 und im Untergeschoss, im Innersten des Museumsbaus, der käfigförmige Seelen-Parcours «Passage dangereux» von 1997. Besonders stolz sind die Ausstellungsmacher, dass sie die Erlaubnis erhielten, den Zyklus «A l’infini» aus dem Jahr 2008, zum ersten Mal öffentlich zu zeigen. Die 14 grossformatigen Radierungen kann als eine Art Selbstporträt der Künstlerin gelesen werden, das sich aus Bruchstücken ihres Unbewussten zusammensetzt. Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung steht hier.